Viya Huang war bis vor zwei Jahren der grösste Star auf Taobao – Chinas grösster Handelsplattform. Mit ihren Verkaufsshows erreichte die 37-Jährige monatlich 37 Millionen Zuschauer und verdiente bis zu 30 Millionen Franken im Jahr. Im Rahmen einer staatlichen Kampagne zur «Zügelung der chaotischen Fankultur» wurde die «Königin des Livestreamings» 2021 zu einer millionenschweren Busse verurteilt – wegen angeblicher Steuerhinterziehung.

Eine typische chinesische IT-Karriere, schreibt die deutsche Sinologin Kristin Shi-Kupfer in ihrem Buch «Digit@l China». Westliche Beobachter würden die Digitalisierung in China meist einseitig auf «Überwachungsdiktatur» und Repression reduzieren, schreibt die Autorin. Diese Sichtweise greife aber zu kurz, um den «Aufstieg Chinas zur digitalen Supermacht» zu verstehen.

Rauschsüchtige und Spieler

Auf 190 Seiten porträtiert Shi-Kupfer die «zentralen (Mit-)Macher der digitalen Dynamik»: Beamte, die die Technologisierung ­ des Landes vorantreiben – und regelmässig auch die totalitären Überwachungs­pläne der kommunistischen Partei sabotieren. ­Unternehmer, die vom antiwestlichen Staatsprotektionismus profitieren und dank der Digitalisierung unermesslich reich wurden. Aktivisten und Hacker, die stets neue Schlupf­löcher öffnen, um der Zensur ein Schnippchen zu schlagen.

Ein Kapitel widmet Shi-Kupfer Chinas «Rauschsüchtigen und Spielern» – den Konsumenten. Der «kollektive Kaufrausch» am Single’s Day, Chinas Black Friday, mit vielen Aktionen, sei ein heiliger Termin vieler ­Chinesen: «Fans bereiten sich akribisch auf ­diesen Tag vor, teilen Shoppinglisten und Tipps für Kaufstrategien.» Ohne die technikbegeisterten Konsumenten, so die Autorin, wäre der technolo­gische Fortschritt im Reich der Mitte nicht möglich.

Kristin Shi-Kupfer, «Digit@l China», C.H. Beck, München 2023, 190 Seiten, ca. 25 Franken