Was in parlamentarischen Kommissionen beraten wird und wie die einzelnen Parlamentarier abgestimmt haben, ist vertraulich. Das steht in Artikel 47 des Parlamentsgesetzes. Doch einige Bundesparlamentarier beschäftigen persönliche Mitarbeiter, die hauptberuflich als Berater für PR-Agenturen arbeiten. Die Mitarbeiter haben Zugriff auf vertrauliche Protokolle und Unterlagen der parlamentarischen Kommissionen. Das zeigt eine Recherche des Juristenmagazins «Plädoyer».
In der Aussenpolitischen, der Sicherheitspolitischen oder der Finanzkommission etwa beraten Parlamentarier Gesetzesvorlagen, die später im Parlament zur Abstimmung kommen. Die Mitglieder der Kommissionen erarbeiten Vorschläge für Änderungen oder Anpassungen der Gesetze.
Für Banken, Rohstoff- und Pharmafirmen tätig
Einer von ihnen ist Fabio Regazzi. Er ist seit 2023 Ständerat für die Mitte-Partei und sitzt in der Kommission für Wirtschaft und Abgaben sowie in der Sicherheitspolitischen Kommission. Seine persönliche Mitarbeiterin Camilla Lafranchi ist Senior Consultant bei der PR-Agentur Furrer Hugi mit Standorten in Bern, Lausanne, Lugano, Zürich und Brüssel.
Allein im Segment Lobbying führt die Agentur über 70 Kunden auf, wie etwa die beiden Rohstofffirmen Glencore und Kolmar Group AG, die beiden Telecomkonzerne Ericsson und Swisscom, Pharmaunternehmen wie Roche und Novartis, die Swiss Blockchain Federation und den Verband Schweizerischer Vermögensverwalter. Zu dessen Mitgliedern zählen Banken wie die UBS, Julius Bär und Société Générale.
Ständerat Regazzi gibt im Register der persönlichen Mitarbeiter einzig den Namen von Lafranchi an. Angaben zum Arbeitgeber und der dortigen Funktion fehlen – obwohl Regazzi verpflichtet wäre, diese Informationen offenzulegen.
Seine Parteikollegin Andrea Gmür-Schönenberger sitzt in den Kommissionen für Wissenschaft, Bildung und Kultur, für Verkehr und Fernmeldewesen sowie in der Sicherheitspolitischen Kommission. Die Luzerner Ständerätin gibt als persönlichen Mitarbeiter Adrian Bühler an. Auch sie schweigt zu dessen Arbeitgeber und Funktion.
Bühler ist Partner und Mitinhaber der PR-Agentur Media Work und dort für die Beratung und politische Kommunikation zuständig. Zu ihren Mandanten zählt die Agentur die UBS, die Bierbrauereien Eichhof und Heineken und das im Baubereich tätige Unternehmen Sika.
Der Luzerner Mitte-Nationalrat Pius Kaufmann ist Mitglied der Finanzkommission. Er gibt im Register seinen Mitarbeiter Daniel Piazza als Interessenvertreter der PR-Agentur und Beratungsfirma Dynamics Group an. Piazza ist Partner bei Dynamics Group, die Büros in Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich hat. Gemäss Firmeninternetseite ist Piazza in Bern als Spezialist für die Unterstützung von «Unternehmen und Organisationen bei der Positionierung und der Interessenvertretung im Kontakt mit Behörden, Verbänden und Politikern» tätig.
Wie verhindern die Ratsmitglieder, dass Informationen aus den vertraulichen Kommissionsprotokollen an unberechtigte Firmen im Umfeld der persönlichen Mitarbeiter gelangen? Andrea Gmür-Schönenberger beantwortete diese Frage nicht. Fabio Regazzi und Pius Kaufmann weisen darauf hin, dass ihre persönlichen Mitarbeiter ans Amtsgeheimnis gebunden seien.
Regazzi ergänzt, die Zusammenarbeit mit Camilla Lafranchi basiere auch auf einem Vertrauensverhältnis, das über Jahre aufgebaut worden sei. Dieses Prinzip bilde für ihn die Grundlage jeder Arbeitsbeziehung. Kaufmann erklärt: «Mein Mitarbeiter Piazza schaut die vertraulichen Protokolle nicht an.»
Vertraulichkeit auf «eklatante Weise» untergraben
Der Einblick von PR-Beratern in Ratsgeschäfte untergrabe «auf eklatante Weise» die Wirksamkeit der Vertraulichkeit von Kommissionsgeheimnissen, sagt der Basler Staatsrechtsprofessor Markus Schefer: «Wie kann ein Parlamentarier bei seinem persönlichen Mitarbeiter, der in einer PR-Agentur arbeitet, sicherstellen, dass dieser nicht auf vertrauliche Informationen zurückgreift?»
Zudem müsse man sich fragen, welche Auswirkungen die Anstellung derartiger persönlicher Mitarbeiter auf die Agentur selbst hat. «So müsste sie zum Beispiel durch interne Regelungen sicherstellen, dass die vertraulichen Unterlagen eines ihrer Mitarbeiter keinen anderen Angestellten der Agentur zugänglich sind.»
Schefer schlägt vor, dass das Parlament Regeln für seine Mitglieder und die von ihnen angestellten persönlichen Mitarbeiter und deren Agenturen aufstellt, damit das Kommissionsgeheimnis gewahrt bleibt. Er ergänzt: «Es wäre aber besser, Parlamentarier würden gar keine PR-Berater anstellen.»