Die Postfinance ist mit knapp drei Millionen Kunden und einem Kundenvermögen von rund 120 Milliarden Franken eine der grössten Banken der Schweiz. Sie ist eine Tochtergesellschaft der Post, die im Besitz des Bundes ist. Der Bundesrat beschloss in seiner Sitzung vom 5. Juni, dass die Postbank künftig auch Hypotheken und Kredite anbieten soll. Gleichzeitig schlug er dem Parlament eine Teilprivatisierung vor – also einen Gang an die Börse. Ansonsten würden der Postfinance wegen der einbrechenden Zinserträge innerhalb von zehn Jahren markante Verluste drohen.
Der «Tages-Anzeiger» malte den Teufel an die Wand und titelte: «Der Bundesrat will Postfinance retten.» Wer gestützt auf diesen Zeitungsbericht davon ausgeht, dass von einem Patienten auf dem Sterbebett die Rede ist, täuscht sich allerdings. Ein Blick in die Bilanz zeigt nämlich, dass Postfinance über ein üppiges Finanzpolster verfügt. Und dass es von Jahr zu Jahr grösser wird.
Vermögen wuchs von 3,8 auf 5,8 Milliarden Franken
Konkret: Der Postkonzern gründete die Postfinance im Jahr 2013 als selbständige Aktiengesellschaft. Das Eigenkapital betrug damals 3,8 Milliarden Franken. Das Eigenkapital ist das Reinvermögen eines Unternehmens. Bis 2019 wuchs es auf 5,8 Milliarden Franken. Dazu kommen stille Reserven, welche die Postfinance in der Bilanz nicht ausweist: Sie erhielt beim Start von der Post 20 Liegenschaften geschenkt. In der Bilanz sind diese Liegenschaften deutlich unter dem Verkehrswert eingesetzt. Das heisst: Der Postfinance geht es noch besser, als die Zahlen des Geschäftsberichts zeigen.
Wie sicher eine Bank ist, zeigt die Eigenkapitalquote. Auch hier schneidet Postfinance sehr gut ab. Die Quote beträgt 19,3 Prozent. Zum Vergleich: Bei den beiden Grossbanken ist diese Quote sehr viel tiefer: 5,5 Prozent bei der Credit Suisse und 5,6 Prozent bei der UBS.
Staatsgarantie zurück statt Teilprivatisierung
Mit 19,3 Prozent erfüllt die Postfinance die Kapitalanforderungen der Finanzmarktaufsicht des Bundes (Finma). Doch laut Sprecher Johannes Moeri muss die Postbank als systemrelevantes Institut ein zusätzliches Eigenkapital für den Notfall von drei Milliarden Franken äufnen. Die Postfinance habe für den Aufbau des zusätzlichen Eigenkapitals fünf Jahre Zeit. Im momentan schwierigen Zinsumfeld sei das für die Postfinance nicht zu schaffen. Möglich wäre dies laut der Post nur mit einem teilweisen Börsengang – einer Teilprivatisierung also.
Dabei liesse sich das angebliche Problem ganz einfach lösen. Bis ins Jahr 2017 verfügte die Postfinance wie die meisten Kantonalbanken über eine Staatsgarantie. Erhält sie diese zurück, bräuchte sie kein zusätzliches Eigenkapital. Bei Zahlungsschwierigkeiten würde der Bund haften. Die Änderung wäre mit einer einfachen Gesetzesänderung möglich.
Die Postfinance hat den Grundauftrag des Bundes für den Zahlungsverkehr. Das heisst: Sie muss allen Bewohnern der Schweiz ein eigenes Konto ermöglichen und den Zahlungsverkehr sicherstellen. In den vergangenen Jahren vertreibt sie jedoch massenhaft Kunden – mit massiven Gebührenerhöhungen für die Kontoführung. Allein in den letzten Monaten verlor sie rund 100 000 Kunden.