Im November und Dezember sind die Briefkästen voll mit Spendenaufrufen von Hilfswerken. Wer ihnen zum Beispiel 100 Franken überweisen möchte, kann dies einfach mit einem Einzahlungsschein tun. Unter dem Titel «Schenken wir allen schöne Weihnachten» führt auch die Migros wie jedes Jahr eine Weihnachtsaktion durch (siehe Kasten).
Daneben bietet die Migros ihren Kunden eine weitere Spendemöglichkeit an. Sie können die Cumulus-Punkte, die sie bei jedem Einkauf sammeln, automatisch einem von zehn Hilfswerken spenden. Allerdings sind dann für eine Spende von 100 Franken nicht einfach 100 Franken nötig, sondern Einkäufe im Gegenwert von 10 000 Franken. Denn diese entsprechen 10 000 Cumulus-Punkten oder 100 Franken.
Aber: Die Hilfswerke bekommen den Betrag von der Migros nicht etwa auf ihr Konto überwiesen. Vielmehr erhalten sie Cumulus-Bons in Stückelungen von 5, 10 und 20 Franken. Diese Bons können sie nur bei Läden des Migros-Konzerns einlösen.
Wie lässt sich das mit den Versprechen der Hilfswerke vereinbaren? Die Caritas schreibt etwa: «Mit Ihren Cumulus-Punkten unterstützen Sie Strassenkinder in Rio, geben jungen Müttern in Uganda eine Zukunft, schützen Kinder vor Missbrauch und Ausbeutung in Kambodscha» und vieles mehr. Auch die Glückskette unterstützt mit den Cumulus-Bons angeblich «Projekte im Ausland».
Hilfswerke müssen Cumulus-Bons mühsam umwandeln
Doch die Cumulus-Bons lassen sich natürlich nicht in Brasilien, Uganda oder Kambodscha einlösen. Deshalb kauft beispielsweise das Hilfswerk Solidar Suisse mit den gespendeten Cumulus-Bons «Reinigungsmittel und Produkte für die Cafeteria». Das so gesparte Geld werde Hilfsprojekten in Burkina Faso und Nicaragua gutgeschrieben.
Die Pro Infirmis verkauft die Gutscheine ihren Angestellten mit einem Rabatt von fünf Prozent. Der Erlös gehe an «Familien mit einem behinderten Kind».
Die meisten Hilfswerke mögen sich nicht gross darüber beklagen, dass sie die Migros-Spenden in Form von Cumulus-Bons statt in Form von Geld erhalten. So schreibt Solidar Suisse zwar, dass eine Geldspende «für uns viel einfacher» wäre: «Aber wir sind froh um die Unterstützung.» Und die Caritas schreibt: «Es wäre für uns hilfreicher, Geld anstatt der Cumulus- Bons zu erhalten. Aber wir sind für jede Zuwendung dankbar.»
Viel ist es nicht, was in Form von Cumulus-Bons an die Hilfswerke fliesst. Die Terz-Stiftung, die ältere Leute unterstützt, erhält gerade einmal 15 bis 20 Franken – pro Jahr. Die Rheumaliga bekommt 200 Franken, die Caritas weniger als 1000 Franken, Solidar Suisse 4500, die Pro Infirmis und die Winterhilfe um 6000 und die Glückskette gut 8000 Franken.
Grossverteiler Coop veranstaltet keine Spendenaktion vor Weihnachten, sondern engagiert sich bei der Aktion «2x Weihnachten». Dabei werden Essenspakete an arme Leute verschickt.
Doch auch Coop-Kunden können ganzjährig Einkaufspunkte spenden. Die Hilfswerke erhalten aber nicht diese «Superpunkte» oder Einkaufsbons, sondern den entsprechenden Betrag in Form von Geld.
Die Migros sagt, die Umwandlung sei «technisch nicht möglich». Aber die Hilfswerke würden sich über jede Art von Spenden freuen – auch über einen 10- oder 20-Franken-Bon.
Weihnachtsaktion: Migros gibt sich grosszügig
«Mit Spenden in der Höhe von über 5,2 Millionen Franken hat die Migros 2019 benachteiligte und notleidende Menschen unterstützt.» So steht es im letztjährigen Geschäftsbericht des Migros-Konzerns. Doch die Aussage stimmt nicht. Eingerechnet hat die Migros auch die 1,7 Millionen Franken aus der Weihnachtsaktion. Davon spendeten die Migros-Kunden 1,5 Millionen Franken. Von der Migros stammten nur die restlichen 200 000 Franken.
Auch dieses Jahr führt die Migros eine Weihnachtsaktion durch. Und sie «rundet den gesammelten Spendenbetrag auf». Um wie viel, steht nirgends.
Die Migros wirbt zurzeit mit teuren, ganzseitigen Zeitungsinseraten für die Weihnachtsaktion (siehe Bild im PDF). Wie hoch die Werbekosten sind, will die Migros nicht sagen.