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Kürzlich war ich in Bern auf der Hauptpost. Ich ging zum Automaten und zog einen Zettel. Es war die Nummer 355. Auf der Anzeigetafel sah ich, dass erst die Nummer 334 an der Reihe war. Zeit genug also, um mich noch ein bisschen umzuschauen. Plötzlich fiel mir auf, dass hin und wieder ein Kunde eintrat, kurz zum Automaten ging, aber keinen Zettel zog, sondern schnurstracks an einen Schalter marschierte.
Ich wunderte mich darüber, dass es so freche Leute gibt. Und ich ärgerte mich über die Schalterangestellten, die das hinnahmen, ohne nach dem Zettel aus dem Automaten zu fragen. Bis ich in einem Regal ein gelbes Flugblatt erblickte. Darauf stand: «Wir schenken Ihnen Zeit. Unser Service ermöglicht es Ihnen, direkt am Schalter bedient zu werden – mit minimaler Wartezeit.» Dazu müsste ich ein Benutzerkonto bei der Post einrichten und die Post-App installieren. Dann bräuchte ich beim nächsten Besuch nur noch am Zettelautomaten den QR-Code zu scannen. Die Post verspricht: «Sie werden nun bevorzugt behandelt und kommen mit minimaler Wartezeit an die Reihe.»
Doch das will ich nicht. Ich will nicht all die Leute überholen, die schon vor mir da waren. Und ich will auch nicht, dass Leute vor mir an der Reihe sind, obwohl sie nach mir da waren.
Das E-Ticket der Post erinnert mich an die Blueline im Skigebiet Flims-Laax. Dort können Skifahrer seit gut zehn Jahren gegen einen Zuschlag einen separaten Eingang benutzen – die Blueline. Der Zuschlag beträgt an gewissen Tagen gegen 50 Franken. So weit ist die Post noch nicht. Wer vordrängeln will, bezahlt vorerst «nur» mit seinen persönlichen Daten.
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