Am 2. Mai gab der Verband Öffentlicher Verkehr (VÖV) die für nächstes Jahr gewünschte Preiserhöhung von durch­schnitt­lich 2,9 Prozent bekannt. Nur acht Tage zuvor veröffentlichte der Informationsdienst für den öffent­lichen Verkehr (Litra) seine neue Auftragsstudie. 

Der Litra finanziert sich aus den Beiträgen von 242 Mitgliedern. Darunter sind 89 Transportunternehmen wie die SBB, die von der geplanten Preiserhöhung profitieren. 

Das Ergebnis des Litra-Billettpreisvergleichs zwischen der Schweiz, Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Grossbritannien: «Die Schwei­zer ÖV-Preise bewegen sich im Mittelfeld aller Vergleichsländer.»
Viele Medien übernahmen diese Darstellung unkritisch.  Der «Tages-Anzeiger» bemühte die Studie gar, um die neuste Preiserhöhung zu rechtfertigen. 

Ausländische Rabattkarten nicht berücksichtigt

Doch die Studienautoren verglichen Äpfel mit Birnen, etwa Halbtaxpreise mit Vollpreisbilletten. In früheren Studien verglich der Litra noch Vollpreisbillette mit Vollpreisbilletten. 

Neu vergleichen die Studienautoren nur noch sogenannte Mobilitätssituationen. Das hat seltsame Folgen: Für die Mobilitätssituation «Reise im ganzen Land» stellten sich die Autoren etwa die Frage: Wie teuer ist es, wenn jemand zweimal pro Monat von Zürich nach Bivio GR reist? Und wie teuer ist es, wenn jemand zweimal pro Monat von Amsterdam nach Suyderoog in Nordholland reist? 

Ergebnis: In der Schweiz ist es günstiger, weil sich hier der Kauf eines Halbtaxabos lohnt und man deshalb Halbpreisretourbillette berücksichtigt. In Holland ist es ­teurer, weil die Autoren die hollän­dische Halbtaxvariante nicht anerkennen, da sie in den Stosszeiten nicht gültig ist. Auch für Frankreich und Italien berücksichtigte die Studie keine Rabattkarten. 

Zusätzlich wurden die Preise kaufkraftbereinigt. Mit dieser verbreiteten Umrechnungsmethode erreicht man, dass das tiefere Preis­niveau im Ausland an die höheren Löhne, also die höhere Kaufkraft, in der Schweiz angepasst wird.  

Weiter wurden die unterschiedlich langen Strecken kilometerstandardisiert. Das heisst, die Autoren dividierten erstens den Preis durch die Streckenlänge in Kilometern. Zweitens multiplizieren sie diesen Billettpreis pro Kilometer mit der Zahl 132. Das ist die Länge der Strecke Zürich–Bivio. Damit will die Studie erreichen, dass gleich lange Strecken verglichen werden. 

Der Schönheitsfehler: Die Autoren benutzen für diese Umrechnung die Luftlinien-kilometer. Die tatsächlich gefahrene Strecke Zürich–Bivio ist 172 Kilometer lang und nicht 132 Kilometer (Luft­linie). Die Folge: Die aus­ländischen Preise sind falsch kilometerstandardisiert und deshalb zu tief.

Die Studienautoren des Zürcher Forschungsbüro Infras stört dies nicht: Rabattkarten habe man nur berücksichtigen können, sofern ­diese unbeschränkt gültig seien und sich deren Kauf für die jeweilige Mobilitätssituation rechne, sagt Co-Autorin Maura Killer. Für die Luftlinienkilometer habe man sich entschieden, da diese Information «eindeutig zur Verfügung» stünde. 

Laut Litra-Geschäftsführer Matthias Dietrich kann von einer Irreführung keine Rede sein. Das Studiendesign und die Methodik seien klar und transparent aufgeführt.