Das Motto des Outdoor-Bekleidungsherstellers Patagonia lautet: «Wir betreiben das Geschäft, um unseren Planeten zu retten.» Das Unternehmen spendet nach eigenen Angaben jedes Jahr 1 Prozent des Umsatzes an Umweltbewegungen. Patagonia verspricht, hochwertige und langlebige Kleidung zu produzieren. In jedem Laden kann man kaputte Kleider reparieren lassen. Das US-Unternehmen setzt seit Mitte der 1990er-Jahre auf Biobaumwolle sowie Polyester mit Recyclinganteil.
Bis vor kurzem bestanden die meisten T-Shirts, Sweatshirts oder Kapuzenpullis fast zu 100 Prozent aus Biobaumwolle. Mittlerweile sank der Baumwolleanteil unter 50 Prozent – aus ökologischen Gründen. Das dunkelblaue Rundhals-Sweatshirt – ein Patagonia-Klassiker – zum Beispiel besteht aus 47,5 Prozent Recycling-Baumwolle, 47,5 Prozent Recycling-Polyester und 5 Prozent Elastan. Dazu heisst es in der Produktbeschreibung: «Dieses zu 95 Prozent recycelte Rundhals-Sweatshirt besteht aus 10,8 Plastikflaschen und 225 g Stoffabfällen; im Vergleich zu einem herkömmlichen Baumwolle-Sweatshirt spart es 540 Liter Wasser.»
Plastik statt Baumwolle der Umwelt zuliebe – ist das sinnvoll? «Baumwolle ist grundsätzlich kein unproblematischer Rohstoff», sagt Marc Sidler von Testex AG in Zürich, einem Prüfinstitut für Textilien. Um ein Kilogramm Baumwolle zu ernten, brauche es 8000 bis 10 000 Liter Wasser. «Ausserdem gilt Baumwolle als das landwirtschaftliche Produkt mit dem höchsten Einsatz von Chemikalien.» Schliesslich würde der Anbau von Baumwolle mehrheitlich zu Monokulturen führen und den Anbau von Nahrungsmitteln verdrängen. Zirka 70 Prozent der angebauten Baumwolle ist gentechnisch verändert, 29 Prozent können der konventionellen Baumwolle (gentechnikfrei) zugeordnet werden. Laut Sidler liegt der Marktanteil an ökologischer Baumwolle weltweit unter 1 Prozent.
Auch rezykliertes Polyester hat ungünstige Umweltfolgen
Auch das deutsche Öko-Institut sieht die Nachteile von Baumwolle. «Doch die zunehmende Verwendung von Kunstfasern bereitet uns einiges an Kopfzerbrechen», sagt Andreas Köhler, Forscher am Öko-Institut. Die Verbesserung der CO2-Bilanz und die Wassereinsparung dank rezykliertem Polyester habe gleichzeitig eine andere ungünstige Umweltfolge – nämlich Mikroplastik.
Als Mikroplastik bezeichnet man Kunststoffteilchen mit einem Durchmesser unter 5 Millimetern. Diese kleinen Plastikpartikel finden sich mittlerweile praktisch überall: In Flüssen und Seen, im Meer, im Arktiseis, im Schnee, in den Bergen, in Böden und in der Luft.
Als einer der Hauptverursacher für Mikroplastik in den Meeren gelten synthetische Textilien. Wie eine Studie der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) ergab, lösen sich bei jedem Waschgang aus 1 Kilogramm Wäsche bis zu 0,1 Gramm Mikroplastik.
Das Umweltproblem hat sich in den letzten Jahren massiv verschärft, weil die Bekleidungsindustrie immer mehr Kunststoff verwendet. Laut der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Uno, bestanden bereits im Jahr 2010 über 60 Prozent der weltweit produzierten Kleider aus Kunstfasern. Der Anteil von Plastik in Kleidern wuchs zwischen 1992 und 2010 von 16 auf 42 Millionen Tonnen. Mit dem Resultat, dass gemäss Berechnungen der Weltnaturschutzunion mittlerweile jedes Jahr ungefähr 1,5 Millionen Tonnen Mikroplastik aus Privathaushalten ins Meer gelangen.
Dass Patagonia vermehrt gebrauchte Pet-Flaschen für seine Kleider verwendet, ist in den USA auf den ersten Blick sinnvoll. Denn im Gegensatz zur Schweiz, wo nach Angaben der Getränkeindustrie rund 80 Prozent der Pet-Flaschen eingesammelt werden, sind es in den USA weniger als 30 Prozent. Der Rest landet auf Mülldeponien. Dieser wird nicht wie in der Schweiz verbrannt.
«Wenn aber die gebrauchte Kleidung später auf irgendwelchen Müllkippen landet oder durch die Altkleidersammlung in Länder exportiert wird, in denen es keine geordnete Entsorgung gibt, entsteht wiederum Mikroplastik», sagt Andreas Köhler vom Öko-Institut.
Patagonia ist sich der Mikroplastikproblematik durchaus bewusst. Auf Anfrage von saldo verweist das Unternehmen auf fünf eigene Forschungsprojekte, die nach Lösungen wie biologisch abbaubarem Plastik suchen. Doch noch sei es nicht so weit. Deshalb finden sich auf der Website von Patagonia Tipps zur Vermeidung von Mikroplastik. Der wichtigste Rat: «Vermeide synthetische Fasern wie Polyester.»
Noch besser für die Umwelt ist es, möglichst wenig Kleider zu kaufen, sagen Andreas Köhler und Marc Sidler. Dafür aber hochwertige und reparierbare aus Naturfasern.
Der Wasch-Knigge
1. Kein Plastik in Kleidern
Keine Kleider kaufen, die Plastik enthalten. Dazu vor dem Kauf überprüfen, ob und allenfalls wie viel Plastik (meist Polyester, Acryl und Nylon) im Kleidungsstück enthalten ist.
2. Möglichst wenig und kurz sowie bei tiefen Temperaturen waschen
Kurzprogramm wählen. Denn je länger man wäscht, desto mehr Fasern lösen sich aus den Kleidern.
Je kälter, desto besser: In den meisten Fällen sind 30°C völlig ausreichend. Wasser in Kombination mit Hitze beeinträchtigt das Garn.
Oft reicht es, die Kleidung zu lüften und Flecken von Hand auszuwaschen. Waschpulver enthält häufig sogenannte Schleifmittel. Diese erzeugen Reibung, was ebenfalls dazu führt, dass sich mehr Plastik löst und ins Wasser gelangt. Bleichmittel und Säurewert beeinträchtigen die Mikrofasern ebenfalls. Tipp: Am besten ein pH-neutrales Waschmittel ohne Bleichmittel verwenden.
3. Nicht tumblern
Durch die Nutzung eines Wäschetrockners brechen noch mehr Fasern von der Kleidung ab.
Deshalb wenn immer möglich die Wäsche an der Luft trocknen lassen.
4. Waschbeutel verwenden
Es gibt spezielle Waschbeutel wie zum Beispiel den «Guppyfriend». Solche Taschen halten den Mikroplastik zurück und verhindern, dass er in Flüssen und im Meer landet. Nach dem Waschen können die Fasern entfernt und im Abfall entsorgt werden.
Quelle: Wasch-Knigge, stopmicrowaste.com/tenfortheocean