Die letzte Billett-Preiserhöhung im Dezember 2012 begründeten die SBB mit den höheren Kosten für die Benutzung der Gleise. Denn der Bundesrat hatte den ­sogenannten Trassenpreis um 200 Millionen Franken pro Jahr erhöht (saldo 20/12). Gleichzeitig setzte er ein neues Trassenpreissystem in Kraft. Dieses bemisst den Preis, den ein Zug pro gefahrenen Kilometer zahlen muss, hauptsächlich nach Gewicht, Tageszeit der Fahrt, Umweltbelastung, Gleisqualität und Anzahl Haltestellen.

Die mit dem neuen Preismodell einhergehenden Preiserhöhungen wälzten die SBB grösstenteils auf den Personenverkehr ab. Das zeigt ein Vergleich der pro Kilometer berechneten Trassenpreise (ohne Bahnstrom): Im Jahr 2012 – also noch mit dem alten Preismodell – betrug er beim Güterverkehr im Durchschnitt Fr. 3.83, beim Personenverkehr Fr. 4.20. 

Mit dem neuen Preismodell im letzten Jahr stieg er bei den  Güterzügen auf Fr. 4.34, bei den Personen­zügen auf Fr. 5.66. Das heisst: Das neue Modell hat die Kilometerkosten beim Güterverkehr nur um 13,3 Prozent anwachsen lassen, beim Personenverkehr jedoch um happige 34,8 Prozent.

Neuer «Verschleiss­faktor» auf Kosten der SBB-Passagiere

Damit sind die SBB-Chefs aber noch nicht zufrieden. Sie wollen die Trassenpreise schon wieder umgestalten und den ohnehin stark belasteten Personenverkehr noch mehr zur Kasse bitten. Gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erklärte Philippe Gauderon, Chef SBB-Infrastruktur, dass in Zukunft der Wagentyp jedes Zugs und dessen Verschleiss der Fahrbahn den Trassenpreis mitbestimmen sollen. 

Gauderon zufolge be­einflussen nicht nur das Zuggewicht, sondern auch die Geschwindigkeit und die Kräftewirkungen beim Beschleunigen die Abnutzung. Angeblich verschleissen spurtschnelle S-Bahnen mit vielen Halten die Bahn­anlagen stärker als schwere Güterzüge. Von einem Berechnungsmodell, das den Verschleiss miteinbezieht, erwartet Gauderon eine Entlastung für den Güter­verkehr und eine Mehrbelastung für den Personenverkehr. 

Laut Bundesamt für Verkehr, das letztlich die neuen Trassenpreise festlegt, ist aber «weder zu beweisen noch zu widerlegen», dass S-Bahnen die Trassen mehr abnützen als schwere Güterzüge. Zurzeit würden Abklärungen laufen, um fundierte Grundlagen zu dieser Frage zu schaffen. Per Anfang 2017, wenn der Bundesrat die Trassenpreise ohnehin um 100 Millionen Franken erhöht, könnte ein neues Trassenpreissystem in Kraft treten, das einen «Verschleissfaktor» beinhalte, heisst es. 

Beispiel Österreich: Trassenpreise sind deutlich tiefer

Österreich, das eine vergleichbare Topografie wie die Schweiz aufweist, setzt auf ein Trassenpreismodell, das sich vor allem an Gewicht, Zugtyp und Gleisnachfrage orientiert. Der Faktor Verschleiss wird von den österreichischen Bundesbahnen insofern berücksichtigt, als bei gleisbelastenden Lokomotiven ein Zuschlag berechnet wird, bei gleisschonenden ein Rabatt. Ein gesondertes Entgelt aufgrund der Abnutzung der Gleise beim Anfahren und Anhalten gibt es in Österreich nicht.

Für 2013 beträgt bei den ÖBB das Trassenentgelt pro Kilometer im Güterverkehr umgerechnet Fr. 3.22, im Personenverkehr Fr. 3.31. Dabei fällt auf: Die Kosten der ÖBB sind deutlich tiefer als jene der SBB – beim Personenverkehr 41,5 Prozent. Zudem liefern Güter- und Personenverkehr in Österreich pro Kilometer in etwa den gleichen Betrag ab. Eine Quersubventionierung von Personen- zu Güterverkehr findet nicht statt. Die ÖBB betonen: «Das Trassenpreismodell der ÖBB-Infrastruktur AG ist verursachungsgerecht ausgestaltet.»

Das Schweizer Trassenmodell hingegen bevorzugt den Güterverkehr auf Kosten der Personenzüge. Die SBB schöpfen bei den Fahrgästen mehr Geld ab. Selbst Preisüberwacher Stefan Meierhans spricht hier von «Quersubventionierung» (saldo 8/14). Die SBB wollen sich zum Vorwurf der Quersubventionierung nicht äussern.

In Deutschland ist das Ungleichgewicht der Trassenentgelte zwischen Güter- und Personenverkehr noch grösser als in der Schweiz: Der Güterverkehr zahlte letztes Jahr pro Kilometer umgerechnet Fr. 3.32, der Nahverkehr Fr. 5.55 und der Fern­verkehr happige 7 Franken. Mario Theis, Leiter Preise bei der Deutschen Bahn, gibt zu: «Die Preisdifferenzierung orientiert sich nicht nur an den Kosten­unterschieden, sondern auch am Markt.» Sprich: Man holt das Geld bei den Fahrgästen und hält so den Güterverkehr konkurrenzfähig.