Der Jahresbericht 2013 des Berner Kantonslabors über die Kontrollen in Gastrobetrieben lässt einen erschaudern. Von den geprüften Fleischerzeugnissen wie gekochtes Siedfleisch, aufgeschnittener Schinken, kalter Braten und Roastbeef beanstandete das Labor fast die Hälfte der Proben – genau 47 Prozent. Bei vorgekochtem Gemüse fiel fast jede dritte Probe durch. 

Ähnliche Zahlen finden sich in den Jahresberichten anderer kantonaler Labors. Das basellandschaftliche Labor beanstandete zum Beispiel 52 Prozent der Lebensmittelproben aus Restaurants aufgrund zu hoher Keimzahlen. In 5 der 81 Proben entdeckte das Labor ­sogar Eitererreger (Staphylokokken). Das Labor fasst zusammen: «Die Beanstandungsquote von Lebensmittelproben weist seit ein paar Jahren einen Aufwärtstrend auf. Regelmässige Kontrollen sind unerlässlich.»

Trotz dieser Misere: Die Öffentlichkeit erfährt nicht, welches Lokal bei Lebensmittelinspektionen gut oder schlecht abschneidet. Die kantonalen Laboratorien nennen keine Namen. Die Gäste besuchen die Lokale auf eigenes Risiko.

Nur der Kanton Tessin gewährt Einblick in die Prüfberichte

Und dies, obwohl in 18 der 26 Schweizer Kantone das Öffentlichkeitsgesetz gilt. Danach hat jede Person das Recht auf Einsicht in amtliche Dokumente, wenn sie es verlangt. Auch Prüfberichte von Lebensmittelinspektionen sind amt­liche Dokumente.  saldo ersuchte bei den Laboratorien dieser 18 Kan­tone um Einblick in die Prüfberichte von fünf namentlich genannten Lokalen. Einzig die Tessiner Behörde schickte die verlangten Prüfberichte von fünf Lokalen – anonymisiert. Daraus geht nicht hervor, um welches Restaurant es sich handelt. Kantons­chemiker Marco Jermini sagt: «Das Tessiner Öffentlichkeitsgesetz schreibt vor, dass persönliche Daten anonymisiert werden müssen.» 

Ein Blick in die Prüfberichte zeigt: Nur in einem der fünf Lokale bewertete das Tessiner Labor die Qualität der Lebensmittel mit «gut». Zwei Betriebe erhielten ein «genügend», zwei ein «ungenügend». In einem Lokal fanden die Inspektoren Eier und Wurst, die nicht mehr hätten konsumiert werden dürfen. 

Die restlichen 17 Kantone verweigerten die Einsicht in die Prüfberichte. Viele berufen sich dabei auf das Lebensmittelgesetz. Das kantonale Labor Baselland schreibt: «Gemäss Artikel 42 des Lebensmittelgesetzes unterstehen alle mit dem Gesetzesvollzug beauftragten Personen der Schweigepflicht. Eine nicht anonymisierte Veröffentlichung und damit die Nennung einzelner Betriebe würde somit gegen die Bundesgesetzgebung verstossen.» 

Datenschützer: Offenlegung der Berichte ist möglich

Dem widerspricht der eid­genössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür: «Einer kantonalen Vorschrift zur Offenlegung der Resultate würde Artikel 42 des Lebensmittelgesetzes nicht im Wege stehen.»

Das Jurassische Kantonslabor beruft sich ebenfalls auf die Geheimhaltungspflicht und empfiehlt, die Prüfberichte direkt von den betreffenden Betrieben zu verlangen. Das Berner Labor bezeichnet die von saldo verlangten Prüfberichte als «besonders schützenswerte Personendaten». 

Noch weiter geht das Amt für Verbraucherschutz des Kantons Zug. Kantons­chemi­kerin Susanne Pfenninger sagt, die verlangten Informationen würden «unter das Geschäftsgeheimnis der betroffenen Betriebe ­fallen». Damit bestehe am Schutz dieser Informatio­nen «ein überwiegendes privates Interesse». Eine Veröffentlichung der Be­richte könne sich auf das Geschäftsergebnis der Betriebe auswirken.

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