Schon die Ansage verheisst wenig Gutes: «Dem Schweizer Wald geht es gut, aber gesund ist er nicht.» Ja was nun, krank oder nicht? Am Abserbeln oder Gedeihen? Die Hörerschaft weiss es nicht, auch nachdem der Beitrag über ein neues Landesforst-Inventar zu Ende ist. Inhalt: Der Wald wächst zwar erfreulich gut, steht aber trotzdem unter Druck. Denn zu sehr wachsen sollte er nicht, da dies naheliegenderweise zulasten der nichtbewaldeten Landschaft geht ... Die Verwirrung unter den «Echo»-Hörern ist gross.
Ein solch misslungener Radiobeitrag fällt in einer Sendung besonders auf, weil er neben herausragenden Leistungen steht. Denn die tägli-che Informationssendung von Schweizer Radio DRS, das «Echo der Zeit», gilt zu Recht als eine Legitimation des gebührenpflichtigen öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Das «Echo» ist in den Programmen von DRS 1, 2 und 4 sowie im Internet zu hören und lässt sich als Podcast herunterladen. Die erste Ausgabe ging 1945 über den Sender von Radio Beromünster. Seither erfreut sich die Sendung der Reputation einer Art helvetischer BBC. Oftmals mit gutem Grund, wie die Prüfung von vier Sendungen in der Woche vom 15. März ergibt.
Spannende Interviews, ausführliche Hintergrundbeiträge
So ist in der Sendung mit dem Waldbeitrag auch ein Interview mit dem palästinensischen Aktivisten Mustafa Barghouti über gewaltlosen Widerstand zu hören – ein spannendes, informatives Gespräch. Dem Hörer unerschlossen bleibt allerdings, warum ein weiteres Gespräch zum Nahen Osten mit dem amerikanischen Experten Aaron David Miller nicht anschliessend, sondern erst am Schluss der Sendung kommt. Zwar überzeugt auch dieses Interview weitgehend, aber die Platzierung bleibt unergründlich.
Dafür erlebt der Hörer in dieser «Echo»-Ausgabe einen weiteren Höhepunkt: Ein Beitrag mit Hintergrundgespräch über die politischen Verhältnisse in Sri Lanka vor den anstehenden Parlamentswahlen.
Das Medium Radio stösst bei komplexen Themen an seine Grenzen
Uneinsichtig ist zum Teil die Themenwahl einzelner Sendungen. So dominierten in einer Ausgabe Finanz- und Wirtschaftsthemen bis zum Abwinken: Abzocker-Initiative versus Gegenvorschlag mit Ratsberichterstattung und Interviews, Easy Tax sowie Weissgeldstrategie der Liechtensteiner Landesbank.
Zwar sind die einzelnen Beiträge solide, aber man ist froh über die Abwechslung mit einem neuen Kapitel in der Libyen-Affäre. Auch wenn dieser Beitrag den Hörer etwas ratlos lässt: Bringt die Entschädigungsofferte der Genfer Regierung einen Fortschritt oder nicht? Die Prognose bleibt diffus, was zu jenem Zeitpunkt allerdings etwa der Realität entspricht.
Das «Echo der Zeit» stösst manchmal auch an die Grenzen des Mediums Radio im Vergleich zur geschriebenen Presse, besonders bei komplexen Sachverhalten. Typisches Beispiel dafür ist ein Beitrag über eine amerikanische Gesetzesrevision, die vorsieht, dass die Banken künftig Angaben über US-Kunden dem Fiskus melden müssen.
Aus dem Beitrag geht hervor, dass die neuen Bestimmungen für die Finanzinstitute zwar lästig sind, aber dass vieles noch im Unklaren ist. Erst die Lektüre in der NZZ verrät am andern Tag, wie komplex die Materie tatsächlich ist. Und dass sogar der Begriff «US Persons» alles andere als klar ist. Das Beispiel belegt den Zwiespalt der Radiomacher, einen Sachverhalt genau darzustellen, ohne die Geduld der Hörerschaft zu stark zu strapazieren.
Denn Zuhören kann anstrengend sein, besonders wenn nur eine Stimme zu vernehmen ist. Das zeigt ein Beitrag über die russischen Regionalwahlen. Die Berichterstattung ist faktenreich und kompetent. Aber sie dauert fast vier Minuten, und man beobachtet sich, wie die Konzentration beim Zuhören nachlässt und die Gedanken gegen Schluss immer wieder abwandern.
Manchmal kommt das «Echo» überraschend staatsgläubig daher. Etwa wenn eine Mediensprecherin der Bundesanwaltschaft über einen Fahndungserfolg sprechen darf. Sie verkündet, dass die in der Schweiz aktive osteuropäische Mafia damit «dauerhaft aus-gehoben» sei, eine Aussage, die sie in ihrer Funktion wohl machen muss. Als Hörer hätte man sich hartnäckiges Nachfragen gewünscht, um Genaueres zu erfahren.
Enttäuschend sind auch einzelne Beiträge, wenn bei der Moderation zu Beginn der Sendung zu viel versprochen wird, etwa bei einem Bericht in der gleichen Ausgabe. Da erwartet der Zuhörer neue Einsichten über das «Reich der Finsternis», Nordkorea. Doch der Informationsgehalt des Berichts bleibt gering. Im Wesentlichen erfährt man, dass das Regime Kritik an Menschenrechtsverletzungen nicht akzeptiert, was wohl niemanden überrascht. Zur wirklich wichtigen Frage hört man nichts, nämlich warum und wie diese Insel des Stalinismus überlebt.
Dafür folgt gleich darauf ein kleiner Höhepunkt: Am Beispiel der Region Lothringen erklärt die Sendung, welch fatale Folgen die schwache Stellung der französischen Regionen hat. Der Beitrag ist mit einer farbigen Reportage bestückt, die dem Zuschauer anschaulich macht, warum Sarkozys Bürgerliche eine Wahlschlappe einsteckten.
Berichterstattung mit spürbarem Engagement des Reporters
Dankbar ist man als Hörer auch, wenn nicht alle Beiträge aus Politik und Wirtschaft sind, oder falls doch, wenigstens überraschen. Ein gutes Beispiel dafür war ein Beitrag über den bedrohten Thunfisch sowie die folgende Reportage über die Dürre in Guatemala. Hier wurde deutlich, was das Radio kann und umgekehrt die Presse eben nicht: Die Not der mittelamerikanischen Bevölkerung wurde in einer anrührenden Reportage dokumentiert, die das Engagement des Reporters spürbar machte. Ausführlicheres dazu brachte die Auslandsendung «International» später.
Zuweilen vermisst der Hörer eine politische Meinung
Ärgerlich dagegen, wenn der Hörer den Eindruck hat, das «Echo» drücke sich in einer wichtigen Frage um eine Meinung. Deutlich wurde dies in der Berichterstattung zur Parlamentsdebatte über die Ausschaffungsinitiative. Leider blieb es bei der Berichterstattung, die den Hörer am Schluss im Ungewissen liess: Verstösst diese Initiative jetzt gegen Völkerrecht oder nicht? Die einen sagen ja, die andern nein, reportierte der Berichterstatter aus dem Bundeshaus hasenfüssig.
In einem solchen Fall wünschte man sich mehr Mut der Redaktion für eine Stellungnahme, die sagt, was Sache ist. Wie das verschiedene Zeitungen anderntags taten. Und noch etwas: Unbelegte Zahlen dienen niemandem. Der geduldige Zuhörer wusste bis zum Schluss nicht, ob bei Annahme der Initiative künftig 1500 Personen jährlich ausgeschafft werden oder nicht.
Der Berichterstatter prognostizierte zwar weniger, verriet aber nicht warum. Ein Fazit nach vier Sendungen: Das «Echo» wird seinem guten Ruf gerecht. Etwas mehr Risikobereitschaft zu Unerwartetem und etwas mehr gnädige Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Hörer könnten nicht schaden.