Einige der ältesten Schriftzeugnisse der Welt stammen aus Henan, einer Provinz im Tal des Gelben Flusses in Zentralchina. Sie wurden zuerst auf 3500 Jahre alten Tierknochen, später auf Bronze, Holz und Bambus gefunden. Gemäss den Aufzeichnungen hatte die chinesische Kultur in Henan vor rund 6000 Jahren ihren Ursprung. Die Bedingungen waren ideal: Die Gebiete entlang des Gelben Flusses waren enorm fruchtbar.

Auch andere frühe Hochkulturen erblühten dank ihrer Nähe zu Flüssen. So das ägyptische Pharaonenreich, das Zweistromland zwischen Euphrat und Tigris auf dem heutigen Gebiet von Syrien und dem Irak oder die Staaten entlang des Indus und des Ghaggars in Nordwestindien und Pakistan.

Faktenreich und in leicht verständlicher Sprache schildert der US-Umweltwissenschafter Laurence C. Smith in seinem Buch «Weltgeschichte der Flüsse», wie grosse Ströme mehr als jede menschliche Technologie die Zivilisation prägten. Sie eröffneten Handelswege, lieferten Energie, bildeten Staatsgrenzen, und um sie entbrannten Kriege. Aufgrund von Fehlplanungen und Misswirtschaft wurden Flüsse auch zu Schauplätzen der Zerstörung, wie Smith am Beispiel des Aralsees in Zentralasien zeigt. Seit den 1960er-Jahren trocknet der einst viertgrösste Binnensee der Welt aus – eine der grössten von Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Jahrzehntelang entnahmen die Bauern zu viel Wasser aus den Zuflüssen Amudarja und Syrdarja, um Reis- und Baumwollplantagen zu bewässern. Heute sind die Böden rund um den See ausgelaugt, das Trinkwasser ist verschmutzt.

Immer wieder streut der Autor Anekdoten von seinen Forschungsreisen ein. Etwa seine Eindrücke vom Besuch der US-Stadt New Orleans nach der Flutkatastrophe von 2005 – Zeilen, die unter die Haut gehen.

Laurence C. Smith, «Weltgeschichte der Flüsse», Siedler Verlag, München 2022, 448 Seiten, ca. 40 Franken