Das multiple Versagen der Pharma-Multis
Pharmakonzerne wie Roche und Novartis erzielen riesige Gewinne – und verursachen Versorgungskrisen. Der Journalist Beat Ringger fordert die Herstellung von Medikamenten durch die öffentliche Hand.
Inhalt
saldo 01/2023
24.01.2023
Letzte Aktualisierung:
06.02.2023
Eric Breitinger
Explodierende Arzneimittelpreise, zunehmende Lieferengpässe, fehlende Antibiotika: Der Schweizer Autor Beat Ringger attestiert der Pharmaindustrie ein multiples Versagen und beschreibt die Symptome einer sich verschärfenden Arzneimittelkrise.
Ringger benennt dafür eine Hauptursache: Die Konzerne orientieren sich in erster Linie an den Finanzmärkten. Sie hätten sich von forschenden Arzneimittelherstellern zu finanzgetriebenen V...
Explodierende Arzneimittelpreise, zunehmende Lieferengpässe, fehlende Antibiotika: Der Schweizer Autor Beat Ringger attestiert der Pharmaindustrie ein multiples Versagen und beschreibt die Symptome einer sich verschärfenden Arzneimittelkrise.
Ringger benennt dafür eine Hauptursache: Die Konzerne orientieren sich in erster Linie an den Finanzmärkten. Sie hätten sich von forschenden Arzneimittelherstellern zu finanzgetriebenen Vertriebs- und Marketingkonzernen gewandelt. Beispiel: Im November 2021 kaufte Roche eigene Aktien für 19 Milliarden Franken zurück und vernichtete sie. Wenige Wochen später kaufte Novartis ebenfalls für 15 Milliarden Franken Aktien zurück und machte genau dasselbe – statt in Forschung und Entwicklung neuer Medikamente zu investieren.
Beat Ringger überzeugt bei der prägnanten Beschreibung der Defizite und finanziellen Hintergründe der Pharmabranche. Schwächer fallen seine Schlussfolgerungen aus: Er fordert den Aufbau eines gemeinwohlorientierten Service-public-Verbunds aus Universitäten, Instituten und Nichtregierungsorganisationen. Der Verbund soll patentfreie und günstige Medikamente auch gegen Krebs oder Immunkrankheiten entwickeln. Zur Finanzierung sollen Steuergelder dienen, die heute in die Grundlagenforschung an Universitäten und Unispitälern fliessen.
Die Antworten auf einige Fragen hätte man sich ausführlicher gewünscht. Etwa auf die Frage, wer das Projekt leiten soll oder wie sich der Einfluss der Pharmakonzerne auf Parlament und Bund zurückstutzen lässt. Trotzdem ist das Buch ein wichtiger Beitrag zu einer zuverlässigen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln.
Beat Ringger, «Pharma fürs Volk. Risiken und Nebenwirkungen der Pharmaindustrie», Rotpunktverlag, Zürich 2022, 327 Seiten, 27 Franken.