Die Gedanken sind in Gefahr. Zu diesem Schluss kommt der deutsche Technologiejournalist Janosch Delcker nach einer fünfjährigen Recherchereise rund um die Welt, die ihn zu den wichtigsten IT-Akteuren führte. In einem Labor des Meta-Konzerns (Facebook) in Paris wurde er Zeuge, wie ein Computerprogramm Hirnaktivitäten in Worte übersetzte. Er beschreibt, wie in San Francisco (USA) an Implantaten getüftelt wird, mit denen sich Gehirne gezielt stimulieren lassen.
Und er traf in Hyderabad, der «Überwachungshauptstadt Indiens», den Politaktivisten S. Q. Masood, der gegen die öffentliche Bespitzelung durch Programme kämpft, die nicht nur Gesichter, sondern auch vermeintlich verdächtiges Handeln erkennen.
Bereits heute sei es dank Computerprogrammen möglich, das Verhalten der Leute im Internet aufzuzeichnen, zu steuern und kommerziell zu nutzen, schreibt Delcker. Bald aber werde es möglich sein, «den Code der Gedanken zu knacken». Alle grossen IT-Unternehmen von Meta bis Google hätten begonnen, in Bereichen zu forschen, «die nichts mit ihren ursprünglichen Geschäftsmodellen zu tun haben»: Sie werben Neurowissenschafter an, mit dem Ziel, «besser zu verstehen, was wir denken und fühlen, woran wir glauben und wie wir sind».
Ein wachsamer Umgang mit neuen Programmen allein genügt laut Delcker nicht, um zu verhindern, dass «unser Denken bald nicht mehr ein Ort ist, über den wir selbst die Kontrolle haben». Es sei Zeit für die «Einführung von Neurorechten», die dafür sorgten, dass «Gehirn-ComputerSchnittstellen nicht missbraucht werden, um unseren Geisteszustand zu verändern», fordert der Autor: «Weder Unternehmen noch Regierungen sollen ohne unser Wissen und unsere Zustimmung Gedanken auswerten und verarbeiten dürfen.»
Janosch Delcker, «Der Gedanken-Code», C. H. Beck, München 2024, 206 Seiten, ca. 25 Franken