Pangasius in Bioqualität gibt es in der Schweiz nur bei Coop und Migros. Die beiden Grossverteiler verlangen für den Zuchtfisch zwischen 21 und 23 Franken pro Kilo. Konventioneller Pangasius kostet weniger als die Hälfte – 8 bis 10 Franken pro Kilo.
Erstaunlich: In allen umliegenden europäischen Ländern bieten Fischverkäufer nur konventionellen Pangasius an. Wie ist das möglich? Ganz einfach: Der Bio-Pangasius von Migros und Coop muss die EU-Biorichtlinien nicht erfüllen.
Gespräche mit beteiligten Lieferanten, Verarbeitern und Fischzuchtkennern zeigen: Der angebliche Bio-Pangasius stammt aus einer Fischfarm in Long Xuyen im vietnamesischen Mekong-Delta. Die Fischfarm gehört zum deutschen Unternehmen Wertewerk. Die Firma hat sich gemäss Webseite dem «nachhaltigen» und «fairen» Handel verschrieben. Doch wie nachhaltig wird auf der Biofarm am Mekong tatsächlich produziert?
Alle Jungfische werden mit Hormonen aufgezogen
Recherchen zeigen, dass die Biofarm über keine eigene Jungfischaufzucht verfügt. Sie bezieht alle Jungfische von konventionellen Zuchtfarmen, die bei der Vermehrung der Tiere künstliche Hormone einsetzen. Die EU-Biorichtlinien verbieten das.
Die Fische dürfen bis zu einem Drittel ihres Lebens in den viel engeren Teichen der konventionellen Intensivzuchten verbringen. Dort fressen sie konventionelles Futter. Danach kommen sie auf die Biofarm, wie Coop und Migros bestätigen.
Auch die Biofarm bezieht ihr Fischfutter nicht ausschliesslich aus der Region oder aus umliegenden Ländern, wie es die Vorschriften von Bio Suisse verlangen. Rund 10 Prozent des Futters bestehen aus Fischmehl. Dieses stammt aus europäischer Produktion und wird über 8000 Kilometer an den Mekong transportiert.
Die schlachtreifen Fische werden nicht lokal verarbeitet, sondern lebend in Schiffe verladen, 120 Kilometer flussabwärts transportiert und beim Schlachtbetrieb wieder ausgeladen. Gut informierte Personen sprechen gegenüber saldo von «tagelangen Transporten». Der vietnamesische Schlachtbetrieb antwortete nicht auf die Fragen. Coop und Migros schreiben, die gemäss Bio-Suisse-Richtlinie zulässige Transportdauer von maximal zehn Stunden werde eingehalten.
«Coopzeitung» schwärmt von vorbildlichen Zuchtmethoden
Coop schwärmte im März 2020 in seiner Hauszeitung von der vietnamesischen Bio-Pangasius-Farm: In den Wasserteichen würden «nur» zwölf Fische pro Kubikmeter schwimmen, nicht 100 wie in konventionellen Intensivzuchten. Gefüttert werde «ausschliesslich gentechfreies Bio-Futter». Nicht zugelassen seien «leistungssteigernde Medikamente, Hormone und andere Zusätze».
Mit den saldo-Recherchen konfrontiert, geben Coop und Migros zu, dass bei der Vermehrung der Fische Hormone eingesetzt werden. Sie schreiben: die Nachzucht von Jungfischen sei gemäss den Richtlinien von Bio Suisse technisch nicht machbar. In solchen Fällen sei die Verwendung von konventionellen Jungfischen erlaubt.
Kunden erfahren nichts über den Einsatz von Medikamenten
Tatsächlich rückt Bio Suisse in diesem Fall von zentralen Grundsätzen wie dem Hormonverbot ab. In den eigenen Richtlinien heisst es: «Bei Nichtverfügbarkeit kann die Zertifizierungsstelle eine Ausnahmebewilligung für den Zukauf von nicht biologischen Jungfischen erteilen.»
Diese Ausnahmeregelung gilt bei der vietnamesischen Bio-Pangasius-Farm seit über zehn Jahren. Nur: Die Konsumenten erfahren nichts davon. Weder gibt es einen Hinweis auf der Fischpackung, noch erwähnen die Grossverteiler den Hormoneinsatz auf ihren Websites. Dafür heisst es auf Plakaten von Coop und Bio Suisse: «Beste Bio-Qualität seit 30 Jahren.»
Bio Suisse erfuhr von saldo von den Missständen beim vietnamesischen Biofisch: «Die erhobenen Vorwürfe sind für uns neu.» Jetzt will der Bioverband die Fischfarm vor Ort überprüfen. Warum er seine eigenen strengen Grundsätze aufgeweicht hat, begründet der Verband nicht. Auf der Internetseite heisst es nach wie vor: «Hormone sind in der Knospe-Fischzucht verboten.»