Auch Österreich greift ins Steuersackerl
Wie in der Schweiz werden auch im Nachbarland die Steuerzahler für die Euro 08 kräftig zur Kasse gebeten. Viel Geld fliesst sogar an Zeitungen – für ihre Euro-Berichte.
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saldo 09/2008
11.05.2008
Bernhard Matuschak, Wien
Eine grenzenlose Werbeflut und viel Geld vom Steuerzahler: Auch in Österreich wird die öffentliche Hand zum Handlanger eines milliardenschweren Verbandes. Vor kurzem wurde die offizielle Ausstellung zur EM 2008 «herz:rasen» im Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz eröffnet. 3 Millionen Franken kostet die Schau.
Parallel dazu ist der Verein «Österreich am Ball» mit einem 16-Millionen-Franken-Budget im Rücken bemüht, die Stimmung i...
Eine grenzenlose Werbeflut und viel Geld vom Steuerzahler: Auch in Österreich wird die öffentliche Hand zum Handlanger eines milliardenschweren Verbandes. Vor kurzem wurde die offizielle Ausstellung zur EM 2008 «herz:rasen» im Künstlerhaus am Wiener Karlsplatz eröffnet. 3 Millionen Franken kostet die Schau.
Parallel dazu ist der Verein «Österreich am Ball» mit einem 16-Millionen-Franken-Budget im Rücken bemüht, die Stimmung im ganzen Land durch Begleitprogramme in die Höhe zu treiben. Rockröhre Christina Stürmer schmettert im Radio die offizielle EM-Hymne, «Wir haben Fieber, komm fieber mit».
Bisher will der Euro-Funke im Nachbarland aber nicht so recht überspringen. Damit die Werbetrommel keinesfalls ins Stocken gerät, greift der Staat sogar ins Steuersackerl, um die EM-Berichterstattung in den Medien zu finanzieren: Umgerechnet über 3 Millionen Franken gibt das Bundeskanzleramt aus, damit die Medien fleissig über die Euro-Vorbereitungen und die Euro selbst berichten. Das Boulevardblatt «Kronenzeitung» beispielsweise schöpft für seine EM-Berichterstattung rund 1 Million Franken ab.
Neue Haltestellen, rund 2000 Überwachungskameras
Die Austragungsorte selbst gehen mit höchst unterschiedlichen Budgets in den EM-Match. Während Salzburg für die drei Vorrundenspiele und eine Fanzone knapp 2 Millionen Franken einkalkuliert, rechnet Klagenfurt für ebenfalls drei Vorrundenspiele und zwei Fanzonen mit 15 Millionen Franken. Den Städten fliessen weitere öffentliche Gelder zu, etwa 17 Millionen Franken aus dem Topf der nationalen österreichischen Tourismus-Organisation ÖW.
Viel kosten lässt sich die öffentliche Hand auch den öffentlichen Euro-Verkehr. Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) lassen ausserhalb von Innsbruck extra eine Haltestelle erstellen, die nach der Euro wieder abgerissen werden soll. Im ganzen Land werden an den Bahnhöfen rund 2000 Überwachungskameras mit zugehörigen Überwachungssystemen installiert, die danach aufgrund von Umbauarbeiten etwa am Wiener Westbahnhof teilweise wieder demontiert werden.
Das Sicherheitspersonal der Bahn wird von derzeit rund 170 auf fast 400 Angestellte aufgestockt. Wie hoch die gesamten Aufwendungen für die Euro liegen, will der zuständige ÖBB-Pressesprecher Thomas Berger nicht verraten: «Bei den Investitionen für die Europameisterschaft hält sich jede Firma bedeckt. Es wäre nicht im öffentlichen Interesse, wenn wir Zahlen publizieren würden.»
60 Millionen Franken für die Ausrüstung der Sicherheitskräfte
Fest steht bereits jetzt: Die oben erwähnten Millionen für Unterhaltung, Kultur und Propaganda sind nur kleine Fische im Euro-Topf. Allein die Investitionen der öffentlichen Hand beim Ausbau der Stadieninfrastruktur wurden gemäss einer Untersuchung des österreichischen Instituts für Höhere Studien im Vorfeld der EM auf rund 225 Millionen Franken geschätzt.
Und ein grosser Brocken ist – wie in der Schweiz – der Bereich Sicherheit. Allein die Ausrüstung für die Sicherheitskräfte beziffert die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter in der Exekutive des Innenministeriums auf über 60 Millionen Franken.
Keine Ferien für Polizisten während der Euro 08
Deutlich teurer dürfte den Innenminister noch der Personalaufwand kommen. Vom 2. bis 30. Juni haben die österreichischen Polizisten Urlaubssperre. 27 000 Polizeikräfte werden ihren Dienst rund um die Euro absolvieren, dazu kommen noch einmal rund 1500 Angehörige des österreichischen Bundesheeres. Wie teuer allein die angeordneten Überstunden die Steuerzahler kommen, ist zurzeit unbekannt. Für 850 deutsche Polizisten, die während der EM im Nachbarland Dienst tun, wird jedenfalls mit 15 Millionen Franken gerechnet.
Die Österreicher werden sich aber wie die Schweizer nicht nur mit ausländischen Ordnungshütern, sondern auch mit Einschränkungen ihrer persönlichen Freiheiten abfinden müssen: Kontrollen und Sicherheitschecks, Videoüberwachung und kurzfristige Sicherheitsverwahrung für renitente Fans. In Klagenfurt und Innsbruck sind dafür sogenannte Anhaltestrassen vorgesehen, in denen Verdächtigte sechs Stunden lang festgehalten werden können.
Grenzen: Zeitweilige Schliessung an Spieltagen
Zudem wird die Reisefreiheit zwar nicht dauerhaft, aber dem Spielplan angepasst eingeschränkt. Betroffen ist auch die Schweiz. Der österreichische Innenminister Günther Platter legte sich unlängst in einem Interview mit der Tageszeitung «Standard» fest: Die Schweiz sei noch nicht Schengen-Mitglied, deshalb werde man an den Spieltagen die Grenze temporär schliessen. Das heisst: Personenkontrollen werden dann wieder lückenlos und nicht nur stichprobenartig bei allen Grenzübergängen durchgeführt.
Übrigens: Es ist höchst fraglich, ob sich die Ausgaben für die Euro 08 für die Schweiz oder für Österreich später einmal auszahlen. Studien zufolge gingen weder von den Fussballweltmeisterschaften in den USA (1994), Japan (2002) noch Deutschland (2006) nennenswerte positive gesamtwirtschaftliche Effekte aus.