Der Geschäftsführer eines Zügelunternehmens und sein Kunde haben sich nichts mehr zu sagen. Beide starren nur noch gebannt auf ihre Unterlagen. Als die Einzelrichterin am Bezirksgericht Meilen ZH sie in den Gerichtssaal bittet, scheinen sie erleichtert zu sein, dass es endlich losgeht.
Der Geschäftsführer kommt gleich zur Sache: Er verlangt 4828 Franken. Vier seiner Angestellten hätten an zwei Tagen 20,5 Stunden gearbeitet, um den Hausrat des Beklagten von Rüschlikon ZH nach Erlenbach ZH zu transportieren. Dafür schulde ihm der Beklagte 4228 Franken. Zusätzlich fordert er je 300 Franken für den Einsatz eines Zügelkrans und die Zügelkartons. Der Auftrag sei mit dem Kunden mündlich vereinbart worden: «Ich sagte ihm klipp und klar, dass wir erst nach Abschluss der Arbeiten nach Aufwand abrechnen würden.»
Der Beklagte ist Anwalt. Er bestätigt, dass nach Aufwand abgerechnet werden muss. Er wendet aber ein, die Zügelarbeiten hätten an einem einzigen Tag durchgeführt werden können. Ausserdem sei abgemacht worden, dass die Firma «zügelerprobte, starke Arbeiter» mitnimmt. Dies sei jedoch nicht der Fall gewesen. Vielmehr habe sie «schmale Würfe» eingesetzt, die wohl «zum ersten Mal in ihrem Leben» gezügelt hätten.
Zudem hätten die vier Zügelmänner am Hausrat diverse Schäden verursacht. «Ich war an beiden Zügeltagen vor Ort und sah, dass die Angestellten des Klägers die Schäden verursachten.» Wegen des unsachgemässen Umzugs seien Kerben an mehreren Wänden, an den Eingangstüren in der Garage und im Haus, im Lift, an einem neuen Schuhschrank und am Kinderschrank entstanden. Zudem seien eine Kiste mit 20 Paar Schuhen seiner Frau sowie ein teurer Schal spurlos verschwunden.
Noch vor Ort habe er den Kläger mündlich über die Mängel informiert, sagt der Anwalt weiter. Drei Tage später auch noch schriftlich. «Der Kläger bot mir an, für die Schäden die lächerliche Summe von 528 Franken zu bezahlen.» Dieses Angebot habe er nicht angenommen. Sein Schaden habe sich auf über 10 000 Franken belaufen. «Dieser Betrag soll mit der Forderung des Klägers verrechnet werden.»
«Fürs Zügeln braucht es Leute mit Ausdauer»
Der Geschäftsführer des Zügelunternehmens widerspricht. Am Zügeltag seien noch zwei Lieferfirmen vor Ort gewesen. Es sei also gut möglich, dass diese die Schäden verursacht hätten. Und es sei auf keinen Fall möglich gewesen, den Umzug an einem Tag durchzuführen. «Der Beklagte hatte sehr viele Möbel. Und der Transportweg beim neuen Haus betrug über 80 Meter.» Seine Angestellten seien im Übrigen qualifiziert. «Fürs Zügeln braucht es nicht besonders kräftige Personen, sondern solche mit Ausdauer», belehrt er den Anwalt. Aus Kulanz habe er ihm trotzdem die Zahlung von 528 Franken angeboten.
Nach einer kurzen Pause fragt die Einzelrichterin, ob die beiden an einem Vergleich interessiert seien. Der Anwalt will nichts davon wissen. «Ich zahle ihm keinen Rappen!», sagt er in Richtung des Klägers.
Die Einzelrichterin beurteilt den zwischen den beiden Parteien abgeschlossenen Vertrag als Frachtvertrag. «Wenn es nicht anders abgemacht ist, ist bei diesem Vertragstyp immer ein Entgelt geschuldet.» Auch im vorliegenden Fall sei ein Frachtlohn geschuldet. Der Anwalt müsse dem Kläger daher die eingeklagten 4828 Franken bezahlen.
Die Verrechnungserklärung des Anwalts erachtet die Einzelrichterin als wirkungslos. Sie sei unklar, die Forderungen zu den angeblichen Schäden seien miteinander vermischt worden.
Fazit: Der rechtskundige Anwalt stolperte über die rechtlichen Voraussetzungen einer Verrechnung von Forderung und Gegenforderung. Für die Friedensrichterin und das Berzirksgericht Meilen muss er 1250 Franken Verfahrenskosten zahlen. Und dem Zügelunternehmen eine Prozessentschädigung von 700 Franken überweisen.
Verrechnung mit Gegenforderung: So gehts
Verrechnungen von Forderungen sind im wirtschaftlichen Verkehr sehr verbreitet. Von einer Verrechnung spricht man, wenn zwei Parteien einander Geldsummen schulden und nur noch die Differenz bezahlt wird. Damit eine Verrechnung zulässig ist, müssen die Forderungen gleichartig sein – wie es etwa bei gegenseitigen Geldforderungen der Fall ist. Zudem muss die zu verrechnende Forderung fällig sein. In Verträgen kann vereinbart werden, dass die Verrechnung mit Gegenforderungen unzulässig ist. Das ist in vielen Miet-, Versicherungs- und Bankverträgen der Fall.