Norwegen, Liechtenstein und Island machen vor, was der K-Tipp auch für die Schweiz fordert: massiv tiefere Preise beim Telefonieren im Ausland. Diese Länder haben die EU-Preisobergrenze bei den Handy-Gebühren im Ausland (Roaming) übernommen, obwohl sie gar keine EU-Mitglieder sind.


Liechtensteiner zahlen nur halb so viel

Für Kunden des Unternehmens Telekom Liechtenstein kostet der Anruf aus einem EU-Staat nach Hause ab Juli 49 Rappen pro Minute. Für einen eingehenden Anruf sind es 15 Rappen, für ein SMS 15 Rappen.

Die Übertragung eines Megabytes kostet Fr. 2.95. Zum Vergleich: Schweizer zahlen gemäss offizieller Statistik des Bundesamts für Kommunikation im Durchschnitt Fr. 1.15 pro Minute für ­einen Handy-Anruf aus ­einem EU-Land. Das ist doppelt so viel wie in Liechtenstein.

Gleiches gilt für eingehendene Anrufe (55 Rappen) und SMS (40 Rappen). Und die Übertragung eines Megabytes kostet Schweizer rund Fr. 4.60 – doppelt so viel wie in Liechtenstein.

Der Gewinn aus dem Preisunterschied zwischen den Ländern mit EU-Obergrenze und der Schweiz fliesst in die Taschen der Schweizer Telecomfirmen. Hochgerechnet auf alle EU-Staaten ergibt das rund 280 Millionen Franken pro Jahr.

Das haben Berechnungen des K-Tipp aufgrund der tatsächlich in der EU vertelefonierten Minuten, verschickten SMS und geladenen Daten ergeben.


Telcomfirmen runden zu ihren Gunsten auf

Kommt hinzu: Die Schweizer Telecomfirmen rechnen die Dauer eines Gesprächs pro Minute ab. Resultat: Telefoniert man drei Minuten und fünf Sekunden, werden vier Minuten verrechnet. Anders künftig in der EU: Gemäss den Richtlinien muss auf mindestens 30 Sekunden genau abgerechnet werden.

Folge der ungenauen Abrechnung: Schweizer zahlen rund 14 Prozent zu viel – so steht es im Bericht des Bakom. Der K-Tipp hat nachgerechnet: Das sind zusätzlich rund 50 Millionen Franken Gewinn. Total machen die Schweizer Telecomkonzerne pro Jahr also allein mit den überhöhten ­Tarifen gegen 330 Millionen Franken Gewinn.

Die  Telecomkonzerne bestreiten die Höhe des Gewinns, den sie mit Roaming erzielen. Dies unter anderem mit dem Hinweis, die Zahlen des Bakom bezögen sich auf die Jahre 2009 und 2010. Tatsache ist jedoch: Die Preise haben sich kaum ver­ändert. Und die Zahl der Anrufe hat sogar noch ­zugenommen.

Gut zu wissen: Auch Schweizer können bei ­einer der drei Liechensteiner Telecomfirmen ein Abo abschliessen und von den tieferen Preisen profitieren. Der Haken: Der Vertrag muss in Liechtenstein abgeschlossen werden.

Ansonsten läuft alles so ab wie in der Schweiz: Man erhält die Rechnung in Schweizer Franken und kann normal übers Handy­netz im In- und Ausland telefonieren. Zusatzkosten entstehen keine.


55 000 haben unterschrieben!

Schweizer zahlen im Ausland fürs Telefonieren nach Hause pro Minute bis 2 Franken. Ein Italiener zahlt für einen Auslandanruf nur 55 Rappen. Gegen diese Handy-Tarife hat der K-Tipp eine Petition zuhanden von Bundesrätin Doris Leuthard lanciert.

Die Kommunikationsministerin soll die Swisscom anweisen, die Tarife auf Anfang Juli auf EU-Niveau zu senken. Das Echo war enorm: Rund 55 000 Personen haben die Petition «Schluss mit überris­senen Handy-Gebühren im Ausland!» unterschrieben. Übergabe der ­Unterschriften in Bern: 15. Juni.


Umfrage: «Reine Geldmacherei»

In einer Online-Umfrage wollte der K-Tipp wissen: «Wer im Ausland sein Handy braucht, erfährt die Höhe der Kosten erst viel später – was halten Sie da­von?» Drei Viertel der Antwortenden bezeichnen dieses Vorgehen als «reine Geldmacherei» der Telecomfirmen.

Ein Viertel der rund 800 abstimmenden Personen achten genau aus diesem Grund darauf, im Ausland möglichst wenig mit dem Handy zu telefonieren. Bei einem verschwindend kleinen Teil der Nutzer spielen die Kosten eine untergeordnete Rolle: Ganze 3 Prozent sagten, ihnen sei die Er­reichbarkeit wichtiger.