Benzinpreise: Die Kunden ziehen den Kürzeren
Autofahrer zahlten Mitte April für einen Liter Benzin Bleifrei 95 im Raum Zürich meist Fr. 1.82. Vor sechs Monaten waren es 20 Rappen weniger. Die Benzinkonzerne begründen den Aufschlag mit höheren Kosten. Das stimmt nur zum Teil.
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saldo 08/2011
25.04.2011
Letzte Aktualisierung:
26.04.2011
Eric Breitinger
Tatsache ist: Die meisten Faktoren, die den Benzinpreis bestimmen, haben sich seit November letzten Jahres nicht verändert: Rund 90 Rappen pro Liter Bleifrei entfallen auf staatliche Abgaben wie Mineralöl- oder Mehrwertsteuer. 2 bis 5 Rappen kostet der Transport des Benzins in die Schweiz.
Den aktuellen Benzinpreisschub rechtfertigen die grossen Tankstellenbetreiber wie Esso, BP, Tamoil oder Coop mit angeblich gestiegenen Kosten.
Die Konzernsprecher ...
Tatsache ist: Die meisten Faktoren, die den Benzinpreis bestimmen, haben sich seit November letzten Jahres nicht verändert: Rund 90 Rappen pro Liter Bleifrei entfallen auf staatliche Abgaben wie Mineralöl- oder Mehrwertsteuer. 2 bis 5 Rappen kostet der Transport des Benzins in die Schweiz.
Den aktuellen Benzinpreisschub rechtfertigen die grossen Tankstellenbetreiber wie Esso, BP, Tamoil oder Coop mit angeblich gestiegenen Kosten.
Die Konzernsprecher verweisen darauf, dass der Rohölpreis angesichts der Unruhen in Libyen und im Nahen Osten pro Fass von 75 Dollar im Herbst 2010 auf 126 Dollar Mitte April geklettert ist – ein Plus von über 60 Prozent. Entsprechend gestiegen seien die Einkaufspreise von Benzin, das Raffinerien aus Rohöl gewinnen.
So schöpfen die Ölkonzerne hohe Gewinne ab
Auf den ersten Blick leuchtet das ein. Schweizer Benzinhändler kaufen am Handelsmarkt in Rotterdam Nachschub, manchmal einmal in der Woche, manchmal seltener, je nach Preis und Lagerkapazitäten.
Einige Tankstellenbetreiber haben mit Raffinerien einjährige Lieferverträge für Benzin zu tagesaktuellen Preisen. Ein Konzern wie BP bezieht Benzin unter anderem aus konzerneigenen Raffinerien. Laut Isabelle Thommen von BP Schweiz «bezahlt der Einkäufer auch hier stets den tagesaktuellen Preis».
Das heisst: Die Tankstellenbetreiber – meistens Tochtergesellschaften der internationalen Konzerne – verlangen von den Kunden so viel, wie sie am gleichen Tag an der Börse für das Benzin zahlen müssten.
Sie berechnen also an der Tanksäule einen fiktiven Wiederbeschaffungspreis – nicht aber den Preis, den sie tatsächlich für das Benzin gezahlt haben.
Der Kunde zieht dabei den Kürzeren: Steigt der Benzinpreis, verkauft ihm die Tankstelle Benzin zu diesem hohen Preis, das der Ölkonzern früher viel günstiger eingekauft hatte, und schöpft so auf Kosten der Autofahrer hohe Gewinne ab.
Viele Benzinhändler haben sich im letzten Herbst bei günstigen Preisen mit Benzin gut eingedeckt. Sind die Reserven aufgebraucht und die aktuellen Einkaufspreise hoch, werden sie nur kleinere Mengen Benzin einkaufen und mit normalem Gewinn weiterverkaufen.
Ein Beispiel: Die Ölhandelsfirma Minerol Energie AG aus Wetzikon ZH offerierte am 15. April Tankstellenbetreibern 100 Liter Bleifrei für Fr. 164.90, 100 Liter Diesel für Fr. 175.20, inklusive Mehrwertsteuer – das sind 15 bis 20 Rappen unter dem Preis an den meisten Schweizer Zapfsäulen.
Das Sparpotenzial pro Tankfüllung liegt bei 13 Franken
Die meisten Schweizer Autofahrer zahlen ohnehin zu viel beim Tanken. Gemäss dem Suhrer Tankstellenbetreiber Robert Hüppi müsste «Benzin eigentlich überall in etwa gleich viel kosten». Das ist aber nicht der Fall:
An der BP-Tankstelle der Autobahnraststätte Pratteln BL zum Beispiel kostete am 15. April der Liter Bleifrei 95 Fr. 1.95 und der Liter Diesel Fr. 2.08. In der Gemeinde Pratteln, keine zwei Kilometer weit weg, gabs den Liter Bleifrei oder Diesel an der Tamoil-Tankstelle je 15 Rappen billiger.
Wer eine halbe Stunde auf der Autobahn nach Süden fährt, erhielt in Suhr AG bei der freien Tankstelle von Robert Hüppi den Liter Bleifrei 95 sogar für Fr. 1.74 und den Liter Diesel für Fr. 1.82. Wer hier tankt, spart also 21 bis 26 Rappen pro Liter gegenüber der Autobahnraststätte Pratteln. Er zahlt pro Tankfüllung mit 50 Litern rund 10 bis 13 Franken weniger.
Fehlt die Konkurrenz, halten die Konzerne die Preise hoch
Auch frühere Preisvergleiche von «K-Tipp» (6/08) und saldo (18/04) hatten gezeigt, dass Treibstoff im Jura, im Berner Seeland und in Teilen des Kantons Luzern vergleichsweise günstig und ausgerechnet in Basel am teuersten ist. Das ist erstaunlich, da hier kaum Kosten für den Transport vom Rheinhafen zur Tankstelle anfallen.
Dass die Kleintankstellen Benzin günstiger anbieten als die Tankstellen internationaler Erdölkonzerne, zeigt, dass der Preis an der Tanksäule nicht nur mit den Verkaufspreisen in Rotterdam oder den Unruhen in Libyen zu tun hat.
Isabelle Thommen von BP erklärt die höheren Preise der BP-Tankstellen denn auch vor allem damit, dass «diese an guten Orten stehen und meist mit Shops, Autowaschanlagen und WCs ausgestattet» seien.
Kritische Insider der Branche sehen das anders: Wo es Preisbrecher gibt – meist kleine, selbständige Anbieter –, müssen die Tankstellen der Ölmultis mit dem Preis runter, sonst läuft ihnen die Kundschaft davon. In diesen Regionen ist das Preisniveau niedriger.
Fehlt eine Konkurrenz, halten die Benzinkonzerne den Preis gemeinsam hoch. Robert Hüppi macht da nicht mit: Er unterbietet nach eigenen Angaben die örtliche Konkurrenz meist um 5 bis 9 Rappen pro Liter. Er hat ein paar Zapfsäulen, Wartungsarbeiten macht er selber. Nach eigenen Angaben verdient Hüppi «2,3 Rappen pro Liter verkauftes Benzin».