Amavita-Apotheken und Sandoz: Geschäfte auf Kosten der Prämienzahler
Eine Stichprobe zeigt: In Amavita-Apotheken werden bevorzugt Sandoz-Generika verkauft. Obwohl die Testkäufer Rezepte mit günstigeren Produkten vorwiesen.
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saldo 05/2010
13.03.2010
Letzte Aktualisierung:
16.03.2010
Eric Breitinger
Der Generika-Hersteller Sandoz und der Apothekenbetreiber Galenica arbeiten eng zusammen. Das zeigt eine saldo-Stichprobe. Testpersonen legten in zehn Amavita-Apotheken, die Galenica gehören, ein Rezept für zwei günstige Generika vor: für den Cholesterinsenker Simvastatin von Actavis und für Lansoprazol von Spirig, ein Mittel gegen Magenbrennen.
Ergebnis: Keine Amavita-Apotheke hatte eines der Präparate auf Lager. Die Apotheker sagten, sie müssten...
Der Generika-Hersteller Sandoz und der Apothekenbetreiber Galenica arbeiten eng zusammen. Das zeigt eine saldo-Stichprobe. Testpersonen legten in zehn Amavita-Apotheken, die Galenica gehören, ein Rezept für zwei günstige Generika vor: für den Cholesterinsenker Simvastatin von Actavis und für Lansoprazol von Spirig, ein Mittel gegen Magenbrennen.
Ergebnis: Keine Amavita-Apotheke hatte eines der Präparate auf Lager. Die Apotheker sagten, sie müssten diese bestellen. Als Alternative boten sie wirkungsgleiche Generika an, welche sie vorrätig hatten. In elf Fällen handelte es sich dabei um Präparate von Sandoz, in drei Fällen um Mepha-Produkte, einmal um eines der Sandoz-Tochter 1A Pharma.
Pikant: Nur drei der zehn Apotheker machten die Käufer auf die höheren Preise aufmerksam. So ist der Sandoz-Cholesterinsenker knapp 20 Franken teurer als das auf dem Rezept verschriebene Medikament. Lansoprazol von Sandoz kostet 5.15 Franken mehr als das von Spirig. Eine Zürcher Apotheke verkaufte ohne Erklärung ein Fr. 16.75 teureres Originalpräparat.
Dieses Resultat überrascht nicht. Bereits eine saldo-Recherche im Jahr 2007 zeigte, dass Sandoz und Galenica durch geheime Verträge eng miteinander verbunden sind: Sandoz zahlte gemäss den von saldo aufgedeckten «Promotionsvereinbarungen» Rückvergütungen von «40 Prozent der realisierten Umsätze» und rund 200 Galenica-Apotheken eine Pauschale von 10‘000 Franken im Jahr, damit diese ihren Kunden möglichst viele Pillen von Sandoz andrehen.
Hoher Marktanteil von Sandoz in den Galenica-Apotheken
Das Resultat der Stichprobe bestätigt auch eine Statistik der Helsana. Die Krankenkasse hatte Rechnungen für kassenpflichtige Medikamente von 1,9 Millionen Versicherten von Januar bis November 2009 ausgewertet. Demnach stammten 64 Prozent aller in Amavita-Apotheken verkauften Nachahmer-Präparate von Sandoz. Die Novartis-Tochter hat sonst 38,7 Prozent Marktanteil. Überdurchschnittlich viele Sandoz-Generika gaben auch Filialen von Coop Vitality ab. Die Apothekenkette gehört ebenfalls Galenica.
Galenica und Sandoz erklären dazu, dass es keine Weisungen gebe, bestimmte Produkte zu fördern. Die Amavita-Apotheken konzentrierten sich beim Einkauf für ihr Lager auf «Anbieter, die ein umfassendes, breites und qualitativ hochwertiges Sortiment führen». In der Regel beschränken sich Apotheken auf zwei, drei Lieferanten. Branchenkenner halten diese Erklärung für dürftig. Hersteller wie Spirig oder Helvepharm hätten ebenfalls ein recht breites Sortiment, ohne dass Apothekenketten sie berücksichtigten.
Sandoz und Galenica geben an, den «Dienstleistungsvertrag» von 2007 nicht verlängert zu haben. Galenica-Sprecherin Christina Hertig bestreitet zudem, dass Apotheken der Galenica-Gruppe «heute Rabattverträge mit Sandoz» haben. Die Sprecherin von Sandoz erklärt fast wortgleich dasselbe. Brancheninsider bestätigen das Gegenteil. «Es gibt nach wie vor Abmachungen zwischen Sandoz und Galenica-Apotheken», sagt einer. «Es gibt einen laufenden Vertrag, der besagt, dass Sandoz für Amavita die Nummer 1 ist», sagt ein anderer, dem dies ein Verantwortlicher mündlich bestätigte. Er rechnet, dass der Galenica-Konzern von Sandoz «30 bis 40 Prozent Ermässigung» auf den staatlich festgelegten Herstellerpreis jedes Generikums erhält.
Die Preisabschläge werden gemäss Insidern nicht offen auf den Rechnungen beim Medikamenteneinkauf der Apothe-ken deklariert. «Das Geld fliesst über versteckte Kickbacks an andere Galenica-Firmen», sagt ein Insider. Ein anderer bestätigt: «Das läuft weiter so wie 2007.» In saldo berichtete damals ein Insider, dass Sandoz die Spuren verwische, indem die Firma die Ermässigungen als Entgelt für «Dienstleistungen» an Vifor überweise, eine Galenica-Tochter.
Sandoz-Sprecherin Claudia Schaufelberger erklärt, dass «sämtliche unserer Verträge mit Marktpartnern auf Gesetzeskonformität geprüft werden und legal sind». Galenica-Sprecherin Christina Hertig betont, dass die Apotheken der Gruppe bei «Promotions-Dienstleistungen» für die Industrie stets «eine definierte Leistung zu einem marktüblichen Preis» verrechneten.
Das bezweifeln Insider, die davon ausgehen, dass die Provisionen für Dienstleistungen stark übertrieben sind. «Branchenüblich sind maximal 15 Prozent vom Medikamentenpreis, nicht 40 Prozent», sagt ein Ex-Pharma-Chef. Nichts getan hat bisher das Bundesamt für Gesundheit (BAG): Im Krankenversicherungsgesetz steht zwar klipp und klar, dass ein Apotheker «direkte oder indirekte Vergünstigungen» an die Versicherten weitergeben muss. Das BAG erklärt sich in dieser Frage für nicht zuständig.
Die Absprachen treiben die Preise künstlich in die Höhe
Der verstärkte Absatz der Sandoz-Generika hat Folgen: Lassen sich die Patienten von Apothekern teurere Medikamente als verschrieben geben, zahlen sie mehr Selbstbehalt. Zudem steigen ihre Prämien, da die Vereinbarungen zwischen Generika-Herstellern und Apotheken die Ausgaben der Kassen für Generika künstlich in die Höhe treiben.
Laut dem Krankenkassenverband Santésuisse liessen sich 135 Millionen Franken im Jahr einsparen, wenn Ärzte und Apotheken stets die günstigsten Generika verschreiben würden. Die Vereinbarungen sorgen zudem dafür, dass in hiesigen Apotheken keine Hersteller Fuss fassen können, die billigere Generika im Angebot haben als die Marktführer. Christoph Stoller von der Generikaherstellerin Teva Pharma AG ärgert sich, «dass ein Rabattwettbewerb statt ein Preiswettbewerb herrscht». Ex-Mepha-Chef Salvatore Volante fordert das Eingreifen des Gesetzgebers: «Offene und versteckte Rabatte an die Apotheken verzerren den Wettbewerb. Sie müssen gesetzlich verboten werden.»