«Frist zur völligen Liquidation edler Orientteppiche jetzt durch Beschluss begrenzt», heisst es in einem Anfang November publizierten Zeitungsinserat. Die Zuger Firma Alektra Mercantile, Shipping & Financing AG (AMSF) sei von einem Treuhänder beauftragt worden, die Verwertung der Konkursmasse des renommierten Handelsunternehmens Eastern Kayam OCM «schnellst möglich» durchzuführen, heisst es im Inserat. An der zweitägigen Liquidation in Winterthur seien «erlesene Orientteppiche zu einem Bruchteil des Wertes» erhältlich.


Inserat erscheint seit zweieinhalb Jahren immer wieder

Schnäppchen bietet die AMSF allerdings keine an. Das zeigen saldo-Recherchen. Und allzu eilig scheint es die Firma mit der Auflösung der Warenbestände auch nicht zu haben. Dasselbe Inserat ist nämlich in den letzten zweieinhalb Jahren immer wieder in diversen Schweizer Zeitungen erschienen. Zudem: Die Eastern Kayam OCM ging bereits 1999 Konkurs.

Schauplatz Winterthur: In der kleinen Reithalle präsentieren drei Mitarbeiter der AMSF rund 200 Orientteppiche. Preise sind keine angeschrieben. Auf die Frage nach dem Preis für einen etwa 2 x 3 Meter grossen persischen Nain muss der Chefverkäufer erst eine Liste konsultieren. Dieser Teppich habe eine Million Knoten pro Quadratmeter und koste bloss 9500 Franken, erklärt er. Und was hat das gute Stück früher gekostet? Der Verkäufer entfernt ein Klebeband vom Teppich und darunter kommt die Zahl 26 600 Franken zum Vorschein. Der Preisnachlass aufgrund der Liquidation soll also 17 100 Franken betragen – oder rund 64 Prozent. Auch bei zwei weiteren Teppichen, einem Bidjar sowie einem Täbriz, gibt es angeblich grosszügige Rabatte von 55 und 50 Prozent.

Doch von besonders günstigen Angeboten kann keine Rede sein. Das sagen zwei Experten der Schweizerischen Interessengemeinschaft Orientteppich (Igot), mit denen saldo die Liquidation anschliessend nochmals aufsucht. Bei der Igot handelt es sich um eine Vereinigung von Orientteppichhändlern, die über unseriöse Geschäftspraktiken in ihrer Branche informiert und sich mit den Behörden austauscht. «Hier werden unrealistische Rabattversprechen gemacht. Die angegebenen Ausgangspreise sind völlig überhöht», erklärt Igot-Präsident Bruno Meier.

Laut Meier entsprechen die Liquidationspreise der AMSF in etwa den üblichen Verkaufspreisen eines Fachgeschäfts. Beim persischen Nain-Teppich hat der Verkäufer zudem eine falsche Angabe gemacht: Das genaue Ausmessen ergibt eine Knotenzahl von 640 000 – und nicht einer Million. Deshalb ist der Orientteppich gemäss Schätzung der Igot höchstens die verlangten 9500 Franken wert.


Kritik an der mangelhaften Beschriftung

Nach Sichtung der angebotenen Teppiche kommt Igot-Experte Rolf Straub zum Schluss, dass es sich zu einem grossen Teil um neue Importware handelt, die unmöglich aus der Konkursmasse der Eastern Kayam OCM stammen könne. Kritisiert wird von den Igot-Fachleuten auch die mangelhafte Beschriftung der Teppiche. Für die beiden sieht es so aus, dass die AMSF unlautere Methoden anwendet und somit gegen die eidgenössische Preisbekanntgabeverordnung verstösst.

Der Teppichverkäufer bestreitet solche Vorwürfe. Es habe alles seine Richtigkeit. Das sei von der örtlichen Gewerbepolizei kontrolliert worden. Roman Müller, Chef der Gewerbepolizei Winterthur, weiss davon allerdings nichts: «Wir haben bloss überprüft, ob die AMSF im Besitz eines Patents für ein befristetes Wanderlager ist.» Nicht kontrolliert hat die Polizei, ob die angebotene Ware wirklich aus der Konkursmasse stammt und ob die Rabattversprechen korrekt sind. «Falschangaben sind schwierig nachzuweisen. Dafür fehlen uns die Ressourcen und das Fachwissen», erklärt Müller.

Mark Obrist, Geschäftsführer der AMSF, will sich gegenüber saldo nicht zu den Vorwürfen der Igot äussern. Er verweist auf das Zeitungsinserat, in dem alles Wichtige stehe.


Firma Tratex: Auch bekannt für «sensationelle» Rabatte

Gemäss Bruno Meier ist die AMSF nur eine von mehreren Firmen, die der Igot schon negativ aufgefallen sind. Die Orientteppichbranche eigne sich besonders gut für «unlautere Machenschaften», weil der Laie kaum in der Lage sei, Ware und Preis richtig einzuschätzen, sagt Rolf Straub.

Bei den Tricks handelt es sich immer etwa um dieselben: Aus irgendeinem meist erfundenen Grund werden Orientteppiche angeblich zu Schleuderpreisen verscherbelt. Tatsächlich werden aber laut Igot bestenfalls normale Marktpreise verlangt. Nicht selten handle es sich bei den vermeintlichen Schnäppchen gar um Ramschware.

Bekannt für seine häufigen Aktionen ist auch das in Deutschland domizilierte Unternehmen Tratex: Im Mai 2006 gewährte es anlässlich der Neueröffnung in Aathal ZH «sensationelle» Rabatte. Infolge der Geschäftsaufgabe musste ein halbes Jahr später eine «totale Liquidation» durchgeführt werden. Diesen September hat aber schon wieder ein Eröffnungsverkauf stattgefunden. Und im aktuellen Prospekt wird erneut eine Liquidation mit bis zu 80 Prozent Rabatt angekündigt.

Gemäss der Geschäftslogik dieser Firma wäre also im nächsten Frühling wieder eine Neueröffnung fällig. Auf Anfrage von saldo hat die Tratex darauf verzichtet, ihr Geschäftsgebaren zu erklären.


Tipps für den Orientteppich-Kauf

Bei Liquidationen und Eröffnungs-Aktionen sollte man vorsichtig sein: Je höher der versprochene Rabatt, desto eher ist etwas an der Sache faul.

  • Den gesunden Menschenverstand walten lassen und nie unter Zeitdruck einen Teppich kaufen.
  • Verlangen Sie vom Teppichgeschäft Referenzen.
  • Auf jede Rechnung/ Quittung für einen Orientteppich ge-hören Angaben zu Herkunft, Material, Knotenzahl, Verkaufspreis und gegebenenfalls zum früheren Preis.
  • Verlangen Sie, dass Sie den Orientteppich vor dem Kauf zuerst zu Hause zur Probe auslegen können.
  • Für jeden Orientteppich sollte ein schriftliches Rückgaberecht gefordert werden.

Haben Sie Zweifel, dann kontaktieren Sie die Informationsstelle der Igot unter Tel. 044 825 38 60 oder per E-Mail info@igot.ch.