Die Blondine am Eingang des Zürcher Nachtclubs zuckt verlegen mit den Schultern. Was sie von diesem Abend erwarte, wollte der Mann mit der Videokamera von ihr wissen. «Ein paar Infos», antwortet sie. Der Werbefilmer, Mikro in der Hand, hakt nach. «Könnten Sie sich vorstellen, ihre Augen lasern zu lassen?» - «Äh, ja!» Die junge Frau, ganz in Schwarz, Mini-Jupe, tiefes Rückendekolletee und hohe Stiefel, fühlt sich etwas überrumpelt. «Sie müssen den ganzen Satz sagen», hilft ihr der Interviewer, der im Auftrag des Veranstalters filmt: «Ja, ich könnte es mir vorstellen.»
Jetzt darf auch sie hinein in den Nachtclub «Indochine» in Zürichs hippem Kreis 5, ab ins «Infotainment zum Thema Augenlaser», wie die Party im Zeitungsinserat angekündigt wurde. Dunkles Interieur, Kerzenlicht und Lämpchen in japanischem Design tauchen den Raum in schummriges Licht. Es gibt Cüpli zur Begrüssung, und im Hintergrund spielt ein Saxophonist gediegenen Partysound.
Gastgeber an diesem Donnerstagabend ist die Oltner Pallas-Gruppe, zu der auch die Pallas-Klinik gehört. Sie ist mit mehr als 3000 Operationen pro Jahr eine der grössten privaten Augenkliniken der Schweiz. Die Klinik sucht neue Antworten auf die uralte Frage der Marktwirtschaft: Wie und wo kommen wir an den Kunden ran? «Wir wollen eine junge Zielgruppe ansprechen, die weder in ein Hotel noch an eine altmodische Infoveranstaltung kommt», erklärt Christian Handelsmann, Sprecher der Pallas-Gruppe. Den ungewöhnlichen Rahmen, einen Auftritt in einem bekannten Nachtclub mit Fernsehprominenz, lässt sich die Augenklinik schätzungsweise 100 000 Franken kosten.
In der Schweiz rund 8000 Eingriffe im letzten Jahr
Das Programm: Patricia Boser, Moderatorin des Privatsenders «Tele Züri», unterhält sich mit einem der leitenden Ärzte der Klinik und einem prominenten Patienten über Laseroperationen. Der 28-jährige TV-Moderator Marco Fritsche hatte sich im April einem Eingriff unterzogen und sieht seither auch ohne Kontaktlinsen klar.
Damit gehört er zur steigenden Zahl von Leuten, die ihre Kurz- oder Weitsichtigkeit durch einen operativen Eingriff beheben lassen. Die Schweizer Augenkliniken laserten im letzten Jahr rund 8000 Augen. Über 15 Augenkliniken rangeln in der Schweiz um Patienten.
Bis die Talkrunde beginnt, schlürfen die Gäste Prosecco oder farbige Drinks - mit und ohne Alkohol. Partyhäppchen werden im Halbdunkel herumgereicht.
Mittlerweile drängen sich gut 300 Gäste im Club. Für Unterhaltung müssen sie nicht selber sorgen. Nach dem Saxophonisten steigt eine junge Frau aufs Podium, die enthusiastisch Christina-Aguilera-Songs ins Publikum trällert. «We are beautiful and words can't bring us down ...»
Ja, schön und durchgestylt sind sie fast alle. Und jung. Über 30-Jährige sind in der Minderheit, Brillenträger auch.
Patricia Boser eröffnet ihre Moderation mit einer Selbstoffenbarung - auch sie leide unter Fehlsichtigkeit: Ihre Sehschwäche auf dem einen Auge betrage mehr als zwei, auf dem anderen Auge sogar mehr als fünf Dioptrien.
Patricia Boser, Marco Fritsche und Bojan Pajic, der die Pallas-Klinik vertritt, sind auf der Bühne ein eingespieltes Team. Sie kennen sich bereits von Fritsches Operation im April, die ein Kamerateam von «Tele Züri» begleitete.
Augenoperation wird mit einem Coiffeurbesuch verglichen
Die Rollenaufteilung des Trios ist klar: Moderatorin Boser liefert die Stichworte, Fachmann Pajic erklärt und Patient Fritsche witzelt und wiegelt ab. «Das Ganze dauert nicht länger als drei Minuten. Das Kamerateam hat mich nervöser gemacht als die eigentliche Operation.» Gegen Ende des Abends wird der muntere Moderator aus dem Appenzell den Laser-Termin in eine Reihe stellen mit einem Coiffeur- oder einem Zahnarztbesuch - da brauche es schliesslich auch Vertrauen.
Eigentlich wäre das Thema «refraktive Hornhautchirurgie», wie die operativen Sehkorrekturen in der Fachsprache heissen, recht komplex. Es gibt verschiedene Methoden: Die längste Erfahrung haben die Augenärzte mit einer Operation, bei der sie die Oberfläche der Hornhaut mit einem Laser abtragen. Heute kommt jedoch weit häufiger die Lasik-Methode zum Einsatz, weil so der Heilungsprozess weniger schmerzhaft verläuft. Dabei schneidet der Operateur mit einem Messer ein Läppchen von der Hornhaut ab und klappt es auf. Das darunter liegende Gewebe wird mit dem Laser modelliert und anschliessend wieder mit dem Hornhautscheibchen zugedeckt. Eine andere Variante: Es wird ein Teil der oberen Hornhautschicht mit einer Alkohollösung aufgerauht, bevor der Laser zum Einsatz kommt (Lasek-Methode).
Einen Fachvortrag will man der Kundschaft aber nicht zumuten. Niemandem soll der Feierabend verdorben werden. Immerhin ein Filmchen soll den Smalltalk vertiefen und wenigstens die Lasik-Methode zeigen. An der Stelle, an der das abgetrennte Hornhautdeckelchen mit einem flachen Messer zur Seite geklappt wird, geht ein entsetztes Raunen durchs Publikum. «Das ist ja schrecklich» - einige weibliche Gäste wenden sich ab.
Risiken des Eingriffs werden kaum angesprochen
Das ist dann wieder Marco Fritsches Einsatz-Signal. «Bereits nach wenigen Stunden habe ich Teletext lesen können - ohne Brille.» Das einzig Lästige seien die Augenklappen, die man während der ersten Nächte tragen müsse, damit man sich im Schlaf nicht in die Augen greife. «Also sehr sexy sieht man mit diesen Augenklappen nicht aus.» Gelächter im Publikum.
Mögliche Risiken streift die Talkrunde nur kurz: Eine Operation soll nur am gesunden Auge ab dem 23. Lebensjahr vorgenommen werden. Tröstlich: Auch im schlimmsten Fall, wenn die Operation nicht gut verlaufe, werde man nicht erblinden - so Augenarzt Pajic wörtlich. Dass das Risiko der Erblindung praktisch ausgeschlossen ist, wiederholt die Runde noch ein paar Mal.
«Bei 1 bis 2 Prozent der Patienten sind Nachkorrekturen nötig», erklärt Pajic, «aber diese sind im Preis inbegriffen.» Kein Wort davon, dass kritische Augenärzte den Anteil von Nachoperationen bei Lasik-Behandlungen mit 10 bis 20 Prozent angeben. Mögliche Nebenwirkungen, die nicht zur Sprache kommen: Augentrockenheit, Nachtsichtprobleme und Kontrastschwächen. Die Stellen, an denen der Hornhautdeckel wieder anwächst, sind relativ labil. Bei einem Schlag ins Auge können sie aufreissen. Für Kontaktsportler empfiehlt sich diese Methode deshalb nicht.
Gegen Ende des Talks kommen die Zahlen auf den Tisch: Bojan Pajic schätzt die Kosten für eine Operation je nach Methode auf 2500 bis 2900 Franken - pro Auge. Offenbar nicht einberechnet sind hier die Kosten für Voruntersuchung und diverse Extras. In der Realität kommen die meisten Patienten auf rund 4000 Franken pro Auge, wie ein Blick auf die Internetseite der Pallas-Klinik bestätigt.
Laserbehandlung: Kein Geld von der Krankenkasse
Die Krankenkasse zahlt den Eingriff in der Regel nicht, das gibt Pajic klar zu verstehen. Für die Krankenkasse gelten Laserbehandlungen zur Korrektur von Kurz- oder Weitsichtigkeit als Lifestyle-Behandlung.
Damit ist das Infotainment zu Ende, die Party eröffnet. Bojan Pajic stellt sich im unteren Stock des Nachtclubs mit zwei weiteren Ärzten für weitere Fragen zur Verfügung. Einer von ihnen ist auch der Gründer der Klinik, Grigoris Pallas. Ein zurückhaltend wirkender älterer Herr mit weissem Haarkranz - und Brille.
Mehr zum Thema Laser-Augenkorrekuren im Gesundheitsmagazin «Pulstipp» vom November 2004, für 3 Franken am Kiosk erhältlich.